
Westafrika Malis Militär verliert an Rückhalt
Malis Junta konnte sich einige Jahre auf den Rückhalt der Bevölkerung verlassen, die genug hatte von der Korruption der Vorgängerregierung. Doch die Militärs sind fast alles schuldig geblieben. Im Land wächst der Unmut.
Master Soumy trägt ein T-Shirt in den Farben der malischen Flagge gelb, grün und rot. Auch im Studio des Rappers zeigt die Farbwahl, dass er sein westafrikanisches Heimatland liebt. Die malische Militärregierung allerdings kritisiert er, sogar auf der Bühne. In seiner westafrikanischen Heimat Mali ist er ein Star - und traut sich auszusprechen, was andere nur denken.
Während eines Konzerts in der malischen Hauptstadt Bamako stellte er fest: "In Mali muss man seine Stromrechnung bezahlen und kriegt trotzdem keinen Strom." Denn das westafrikanische Land leidet seit Monaten unter Stromausfällen.
Und damit war Master Soumy während seines Bühnenauftritts noch nicht fertig. "Wer kann sich einen Generator oder eine Solaranlage leisten?", fragte er. "Die Leute in der Regierung natürlich, die haben fette Gehälter. Bezahlt von denen, die ohne Strom jetzt gar nichts mehr verdienen."
Die Militärs befördern sich
Regiert wird das Binnenland im Sahel von Militärs. 2021 putschte sich Assimi Goïta ins Präsidentenamt. Im vergangenen Herbst beförderte er sich selbst zum fünf-Sterne-General, zusammen mit fünf weiteren Militärs, die Regierungsämter bekleiden. Sie alle verdienen jetzt wahrscheinlich deutlich mehr.
Die Bevölkerung dagegen leidet unter einer schweren Wirtschaftskrise, verschärft durch die ständigen Stromausfälle. "Und jetzt wollt ihr sogar, dass wir noch mehr zahlen", kritisierte Master Soumy auf der Bühne.
Ein Aufregerthema: Seit März müssen die Menschen eine neue Verbrauchssteuer auf ihre Telefongebühren zahlen, und wenn sie Geld von ihrem mobilen Konto abheben. Dabei ist in den vergangenen Jahren ohnehin schon alles teurer geworden, die Bevölkerung steht wirtschaftlich mit dem Rücken zur Wand. Auf der Bühne folgt der Refrain: Y’en a marre - es reicht!

Anfangs wurden die Militärs begrüßt
Die offenen Worte des Rappers sind in dieser Schärfe neu. Bisher war Kritik an der Militärregierung in Mali öffentlich kaum zu hören. Große Teile der Bevölkerung hatten die beiden Militärputsche 2020 und 2021 begrüßt, sie warfen der letzten zivilen Regierung Korruption und eine zu große Nähe zu der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich vor.
Außerdem litt und leidet die Bevölkerung in vielen Landesteilen unter der Gewalt islamistischer Terrorgruppen und krimineller Banden. Die Bevölkerung war frustriert, weil die zivile Regierung unter Präsident Ibrahim Boubacar Keïta die Sicherheitslage trotz internationaler Hilfe nicht in den Griff bekam.
Nach dem Putsch vollzogen die Militärs vor vier Jahren einen radikalen Kurswechsel: Sie beendeten die UN-Mission MINUSMA, an der auch Deutschland beteiligt war, und überwarfen sich mit der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich, die unabhängig von der UN eine eigene Anti-Terrormission unterhalten hatte.
Stattdessen sind seit Ende 2021 russische Paramilitärs im Land, um Mali im Anti-Terrorkampf zu unterstützen. Als sie kamen, gehörten sie noch zu der berüchtigten Söldner-Gruppe Wagner, nach dem Tod des Gründers Jewgeni Prigoschin im August 2023 wurde die Gruppe auch offiziell der Regierung unterstellt und in Afrika-Korps umbenannt.
"Ich sehe keine Fortschritte"
Die Bevölkerung begrüßte 2021 den neuen anti-westlichen Kurs der Militärregierung in Bamako. Auch eine Journalistin, die bis zum Rausschmiss der Vereinten Nationen für MINUSMA gearbeitet hatte. Als MINUSMA abziehen musste habe sie zunächst gedacht: "Ich habe zwar meinen Job verloren, aber vielleicht ist es das wert."
Sie habe gehofft, dass die Militärs wirklich neue Ideen hätten und die "jahrzehntelange Misere" der Bevölkerung beenden würden. "Aber je mehr Zeit vergeht, desto stärker zweifle ich daran, weil ich keine Fortschritte sehe", sagt sie heute. "Ich frage mich immer öfter, worauf die Militärregierung ihre Entscheidungen gründet."
"Die Malier fangen an, zu verzweifeln"
Damit meint sie vor allem den Konfrontationskurs gegenüber den ehemaligen westlichen Partnern. Einige Unternehmen überlegen, Mali zu verlassen. Französische Hilfsorganisationen dürfen seit Ende 2022 nicht mehr im Land tätig sein, malische Organisationen dürfen französische Gelder nicht annehmen.
Auch der Rückzug von USAID trifft viele Menschen hart. Laut der Weltbank leben mehr als 40 Prozent der Bevölkerung in Armut, mehr als 20 Prozent in extremer Armut. Und Anfang des Jahres ist Mali dann auch noch aus der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas ausgetreten, zusammen mit den Nachbarstaaten Burkina Faso und Niger, die ebenfalls von Militärs regiert werden.
Der Austritt hat die Krise weiter verschärft. Nicht nur ihre Stimmung habe sich gedreht, sagt die Journalistin, die aus Sicherheitsgründen anonym bleiben soll - bei vielen Menschen sei die Begeisterung für die Militärregierung verflogen. "Viele Malier haben ihre Stelle verloren", erzählt sie. Sie reihten sich in "das Heer der arbeitslosen Hochschulabsolventinnen und- absolventen ein, jedes Jahr kommen neue dazu, weil es in Mali keine Arbeitsplätze gibt".
Ihr Resumée ist bitter: "Wenn Du kein Einkommen hast und nicht weißt, wovon du leben sollst, bist du nicht frei. Deshalb fangen die Malier an, zu verzweifeln."
Meinungsfreiheit stark eingeschränkt
Freiheit ist unter den Militärs sowieso ein rares Gut geworden, die Meinungsfreiheit ist stark eingeschränkt, viele Kritiker der Regierung wurden bereits verhaftet.
Anfang Mai hat die Regierung dann auch noch alle politischen Parteien und Vereinigungen verboten. Am Wochenende darauf gingen nach Angaben des französischen Senders RFI Hunderte Malierinnen und Malier in der Hauptstadt Bamako gegen die Machthaber auf die Straße - es war seit Jahren die erste prodemokratische Demonstration.
Und Master Soumy stellte einen neuen Titel online. Er heißt "Fanga", zu deutsch "Die Mächtigen". "An der Macht zu sein, ist eine schöne Sache", rappt Master Soumy, "aber früher oder später hat alles ein Ende".
Eine Hoffnung, die immer mehr Malierinnen und Malier teilen.