
Präsidentenwahl Südkorea hofft auf Stabilität nach dem Chaos
Nachdem der mittlerweile abgesetzte Präsident Yoon das Land zwischenzeitlich in eine Staatskrise geführt hat, stimmen die Menschen in Südkorea über ein neues Staatsoberhaupt ab. Favorit ist Oppositionsführer Lee - für viele das kleinere Übel.
Das, was sich anhört wie der Jubel bei einem Fußballspiel, ist die Freude über den Moment, der das vorläufige Ende einer beispiellosen politischen Krise in Südkorea markiert. Das Verfassungsgericht entscheidet Anfang April: Der bisherige Präsident Yoon Suk Yeol wird seines Amtes enthoben. Der Weg für Neuwahlen ist frei. "Das heute war ein Sieg für die südkoreanische Demokratie", sagt eine Demonstrantin begeistert. "Dafür haben wir drei Monate gekämpft. Wir sind sehr glücklich."
Trotz der Freunde über das politische Ende desjenigen, der mit seiner kurzzeitigen Ausrufung des Kriegsrechts für das ganze Chaos gesorgt hat, glaubt Eric Ballbach nicht, dass das alles spurlos an den südkoreanischen Wählerinnen und Wählern vorbeigegangen ist: "Man darf nicht vergessen, was das auch mit der südkoreanischen Psyche in weiten Teilen gemacht hat", sagt der Korea-Fachmann bei der Stiftung Wissenschaft und Politik. Viele Leute hätten sich an die Zeiten erinnert, in denen autoritäre Militärherrscher das Mittel des Kriegsrechts immer wieder für politische Zwecke missbraucht hätten. "Das wird nicht so schnell vergessen, sicherlich nicht bis zu den Wahlen."
Dem Favoriten drohen mehrere Strafverfahren
Deswegen liegt der Kandidat von Yoons damaliger Partei, der konservativen PPP, auch deutlich hinter dem der linksliberalen Demokratischen Partei DP. Alle Umfragen deuten darauf hin, dass Lee Jae-Myung, 2022 bei der Wahl noch hauchdünn unterlegen, Südkoreas neuer Präsident wird. Was aber nicht heißt, dass er außergewöhnlich beliebt ist oder die Leute ihm zutrauen, ein tief gespaltenes Land zu einen.
Für viele ist er eher wohl das kleinere Übel: "Er kommt nicht als unbefangener Kandidat ins Amt, wenn er gewählt werden sollte, wonach es momentan aussieht", sagt Korea-Experte Ballbach. Denn: Ihm drohen gleich fünf Strafverfahren. Unter anderem wegen Korruption und Verstoßes gegen das Wahlgesetz. Wird er allerdings Präsident, genießt er Immunität.
In diese Kerbe schlägt natürlich auch Kim Moon-Soo von der PPP. Für die Konservativen ist Lee ein Krimineller. Ob diese Zuspitzung reicht, das schwere Erbe der Kriegsrechtsausrufung aus der Amtszeit von Yoon bei den Wählern in den Hintergrund zu drängen? Eher nicht, auch wenn sich der Sprecher der Partei, Lee Min-Chae, noch so kämpferisch zeigt: "Was in der Vergangenheit geschehen ist, gehört der Vergangenheit an, und die People Power Party hat das Urteil des Verfassungsgerichts akzeptiert." Was man jetzt besprechen müsse, sei die Zukunft.
Wirtschaftliche Themen stehen ganz oben
Und die Zukunft ist in Südkorea vor allem von wirtschaftlichen Themen geprägt. Die hohen Preise, vor allem, was bezahlbaren Wohnraum in Ballungsräumen angeht, sind ein großes Problem. Vor allem für die junge Generation, weiß Frederic Spohr, Büroleiter der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung in Seoul. Die Kandidaten müssten sich bei der Wahlkommission mit zehn Wahlversprechen oder ihrem Zehn-Punkte-Wahlprogramm melden, so Spohr. Und bei beiden stünden wirtschaftliche Themen ganz oben.
"Ich glaube, das ist das, was die Leute ja am meisten interessiert. Vor allem junge Leute haben Schwierigkeiten, Fuß zu fassen im Leben, Jobs zu finden, Wohnungen zu finden." Das belaste natürlich auch deren Eltern. "Deswegen glaube ich schon, dass Wirtschaft das Hauptthema dieses Wahlkampfs ist."
Neben den Dauerthemen der südkoreanischen Gesellschaft: demografischer Wandel, niedrige Geburtenrate, Leistungsdruck, Überarbeitung. Am allermeisten aber sehnen sich die Menschen in Südkorea nach monatelangem politischen Chaos nach Stabilität, glaubt Korea-Kenner Ballbach: "Der Wunsch der Bevölkerung ist ganz klar, dass es ein Mandat geben soll, um Südkorea wieder in ruhigere Fahrwasser zu bringen."