
Schweizer Kanton Wallis Nach Gletschersturz droht weitere Gefahr
Das Bergdorf Blatten in der Schweiz ist nach einem Gletschersturz großteils verschüttet worden, eine Person wird noch vermisst. Die Behörden geben keine Entwarnung, denn durch den Abbruch hat sich ein Fluss aufgestaut.
Nach dem Gletschersturz im evakuierten Schweizer Bergdorf Blatten scheint die Gefahr noch nicht gebannt. Gestern waren große Teile eines Gletschers von einem Berg abgebrochen. Geröll- und Eismassen begruben Teile des Dorfes Blatten unter sich. Aufgrund des massiven Gletscherabbruchs beginnen sich nun der Fluss Lonza und der Dorfbach Gisentella zu stauen und bilden hinter den Absturzablagerungen in Blatten einen See. Das teilte der Regionale Führungsstab am späten Abend mit. Es lasse sich derzeit nicht abschätzen, wie sich der Abfluss des Wassers durch die Ablagerungen entwickeln werde.
Die Behörden haben vorsichtshalber bereits Einwohner der Gemeinden Wiler und Kippel, die in Flussnähe leben, in Sicherheit gebracht. Es handelt sich um 16 Personen. Das Gestein- und Eisgemisch liegt meterhoch auf einer Länge von zwei Kilometern und einer Breite von 200 Metern.
"Größte Gefahr ist im Tal"
Jens Turowski, Geologe am Helmholtz-Zentrum, sagte im Gespräch mit tagesschau24: "Man geht davon aus, dass das meiste Material tatsächlich schon heruntergekommen ist. Das muss man dann sehen. Die größte Gefahr ist momentan im Tal."
Die Ablagerung sei teilweise bis zu 50 Meter dick. "Das ist eine enorme Masse, die da runtergekommen ist. Und das staut den Fluss auf. Da bildet sich inzwischen schon ein See", so Turowski weiter.
Der Geologe Flavio Anselmetti von der Universität Bern sagte dem Schweizer Sender SRF: "Das Schlimmste wäre, dass sich Wasser aufstaut bis zur Krone des Bergsturzdammes." Der Fluss könne sich dann in das Gestein-Eis-Gemisch einschneiden. "Was drohen könnte, wäre, dass der Damm durch dieses Einschneiden instabil wird, dass Teile dieses Dammes mitgerissen werden, dass er kollabiert und dann könnten sehr starke Flutwellen oder Murgänge von diesem Seeausbruch für die Gemeinden, die im unteren Tal liegen, drohen."
Eine Person vermisst
Wegen der Gefahrenlage war das Dorf Blatten in der Ferienregion Lötschental bereits vorige Woche kurzfristig ganz geräumt worden. Rund 300 Einwohner mussten ihre Häuser verlassen. Nach dem Gletscherabsturz wird noch eine Person vermisst. Es soll sich um einen 64 Jahre alten Mann handeln, der sich trotzdem in der Gegend aufhielt. Laut einer SRF-Korrespondentin ist die Suche mit Wärmebildkameras bislang ergebnislos verlaufen. Der SRF berichtet in einem Liveticker.
Die Behörden wollen heute über die weiteren Entwicklung im Katastrophengebiet informieren.
"Wir haben das Dorf verloren, aber nicht das Herz"
"Das Unvorstellbare ist eingetroffen", sagte der Blattener Gemeindepräsident Matthias Bellwald in auf einer einer Pressekonferenz im Nachbarort Ferden am Mittwoch. Blatten liege unter einem sehr großen Schuttkegel. Obwohl die Katastrophe erst wenige Stunden zurücklag, zeigte sich Bellwald optimistisch. "Wir haben das Dorf verloren, aber nicht das Herz", sagte er und rief zum Wiederaufbau auf.

Druck von neun Millionen Tonnen Schutt
Auslöser dieser Ereignisse im südlichen Kanton Wallis ist ein relativ langsam verlaufender Bergsturz am Kleinen Nesthorn oberhalb des nun abgestürzten Birchgletschers. Durch das Abbröckeln des Kleinen Nesthorns lagern sich rund neun Millionen Tonnen Schuttmaterial auf dem Gletscher ab und üben Druck auf die Eismassen aus, wie die Schweizer Nachrichtenagentur Keystone-SDA berichtete.