
Kurz' politischer Abgang Das Ende des "Wunderwuzzis"
Mit gerade einmal 35 Jahren ist er österreichischer "Alt"-Kanzler, will sich jetzt seiner Familie und womöglich einem neuen "Top-Job" in der Wirtschaft widmen. Seinen Abgang nutzte Kurz, um noch einmal politisch zu werden.
"Ich werd' jetzt aufbrechen und meinen Sohn und meine Freundin aus dem Spital abholen" sagt Sebastian Kurz, 35, und geht, freundlich lächelnd. Ein fröhlich-erleichtert wirkender Mittdreißiger, der sich nach zehn "lehrreichen Jahren" in einen neuen Lebensabschnitt verabschiedet. Und vorher noch kurz ein politisches Erdbeben auslöst, in Österreich. Auch das: freundlich lächelnd.
Österreichs Altkanzler Kurz gibt alle seine noch verbliebenen politischen Ämter auf. Das des Parteichefs der österreichischen Volkspartei, der ÖVP - und das des Fraktionschefs seiner Partei im Parlament, das er aber nie richtig angenommen hat, in den 54 Tagen seit seinem Abgang als österreichischer Bundeskanzler.
Damit geht eine der erstaunlichsten Politikerkarrieren der Alpenrepublik zu Ende. Schluss auch mit dem Geraune um ein mögliches "Comeback" des "Wunderwuzzis" - so ein Spitzname des politischen Überfliegers Sebastian Kurz.
Talent alleine war es wohl nicht
Mit 35 "Alt"-Kanzler, nach zehn Jahren in der Politik, zuvor als Außenminister und natürlich Parteivorsitzender der ÖVP, das Wort "Ausnahmetalent" stand häufig neben dem Namen "Kurz". Dass es sicher Talent war, aber nicht nur, untersucht zur Zeit die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKSta) in Wien. Die Vorwürfe, gegen das "Team Kurz", aber auch gegen Kurz selbst und einige andere Beschuldigte: Untreue, Bestechung, Bestechlichkeit - oder zumindest Anstiftung dazu, was juristisch in Österreich kaum weniger schwer wiegt.
Kurz und seine "Prätorianer", wie sich nannten, hatten auf dem Weg nach ganz oben offenbar den Booster eingeschaltet, sollen sich durch mit Steuergeld bezahlte Anzeigen bei Boulevard- und Gratisblättern positive Berichterstattung erkauft haben, auch über steuerfinanzierte und manipulierte Umfragen pro Kurz.
Der letzte politische Auftritt des Sebastian Kurz ist dann eine Art letzte Regierungserklärung. Er will nochmal auf seine Politik verweisen, über die zuletzt aus den genannten schlechten Gründen kaum mehr gesprochen wurde. Er verweist auf politische Ecken und Kanten, für die er gestanden habe: Arbeit müsse sich wieder lohnen, Migration dürfe nicht ungesteuert bleiben, der Wirtschaftsstandort Österreich sei ihm immer wichtig gewesen.
"Bin weder Heiliger noch Verbrecher"
Er habe viel lernen dürfen, das Amt des Bundeskanzlers der Republik Österreich habe doch eine extreme inhaltliche Breite, so Kurz. Da sei viel zu entscheiden gewesen, jeden Tag - und: ja, er habe auch Fehler gemacht: "Ich bin weder ein Heiliger noch ein Verbrecher."
Die Ermittlungen, die sich auf mehr als 300.000 Chats des beschlagnahmten Smartphones seines engsten "Prätorianers" stützen, sind die Ursache für den Rücktritt, erst als Kanzler, und für den Ausstieg aus der Politik. Auch wenn Kurz sagt, der freue sich persönlich auf den Tag vor Gericht, an dem er beweisen könne, dass die Vorwürfe gegen seine Person "schlicht falsch" seien.
Er ergänzt selbst: "auch wenn es Jahre dauert" und verschweigt auch im Abgang, dass ihn viele, auch in seiner Partei nicht mehr für tragbar gehalten haben. Auch wenn am Ende strafrechtlich nichts hängen bleibt, es gilt die Unschuldsvermutung. Aber Parteifreunde im Chat als "Arsch" zu bezeichnen und soziale Projekte der eigenen Parteiführung auf dem Weg zur Macht zu torpedieren mit Fragen wie "Welches Bundesland kann ich aufhetzen", machten auch ein Ausnahmetalent wie Kurz für höchste Staatsämter untragbar.
Zum Abschied viel Dank
Österreich ist klein, man trifft sich immer wieder mehr als zweimal, eine Hand wäscht die andere. Gemunkelt wird nun von einem "Topjob" für Kurz in der Wirtschaft. Also besser - und auch irgendwie österreichisch - kein Blick zurück im Zorn. Kurz dankte am Ende vielen, dem Bundespräsidenten Alexander van der Bellen, der die "Buberl" - österreichisches Spitzname für das "Team Kurz" - durchaus würdig-kritisch begleitet hat. Er dankte dem Koalitionspartner, den Grünen, die ihn als Kanzler für "nicht mehr amtsfähig" hielten - und er dankt vor allem seiner ÖVP, die ihn "stets getragen" habe.
Aber da ist es in Österreich wie überall. Getragen wird, wer Erfolg verspricht. In den letzten Tagen hat die oppositionelle SPÖ die ÖVP zum ersten Mal knapp überholt, zumindest in den Umfragen. Viele Parteigänger der einst schwarzen ÖVP, die Kurz und sein Team in Türkis umgefärbt hat, waren nicht einverstanden, mit dem "Sittenbild", so Österreichs Bundespräsident, das die Regierung unter Kurz abgegeben hatte. Eine Tour an der Basis, die Kurz vor wenigen Wochen gestartet hatte, war wenig aufbauend.
Und dann: das Kind. Das habe ihm gezeigt, wie viel "Schönes und Wichtiges" es auch außerhalb der Politik gebe. Und da geht Sebastian Kurz jetzt hin - und sagt zum Abschied: Es war "die Ehre meines Lebens", der Republik Österreich gedient haben zu dürfen.