
Friedensgutachten 2025 Friedensforscher sehen USA als "Unsicherheitsfaktor"
In ihrem jährlichen Gutachten plädieren deutsche Friedensforschungsinstitute für mehr Unabhängigkeit in der europäischen Verteidigung von den USA. Von Deutschland fordern sie ein Ende der Waffenlieferungen an Israel.
Vier deutsche Friedensforschungsinstitute plädieren angesichts der veränderten Sicherheitslage für mehr eigenständige Verteidigung in Europa. "Die Europäische Union muss Strategien entwickeln, um ihre Verteidigung - vor allem gegen die Bedrohung durch Russland - auf lange Sicht unabhängig von den USA sicherzustellen", forderten die Wissenschaftler in Berlin bei der Vorstellung ihres Friedensgutachtens 2025.
Es gelte, Lücken in den militärischen Fähigkeiten zu schließen, die Rüstungsbeschaffung zu europäisieren und gemeinsame Verteidigungsstrukturen auszubauen, hieß es. Parallel müssten Rüstungskontrolle und diplomatische Initiativen dafür sorgen, dass Konflikte nicht eskalieren. "Um den Frieden ist es gegenwärtig schlecht bestellt", diagnostizieren die Forscher. Als politisches Konzept scheine er sich mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine erschöpft zu haben.
Weltweit habe sich das Konfliktgeschehen in den vergangenen Jahren weiter verschärft: 2024 seien mehr als 122 Millionen Menschen auf der Flucht vor Krieg und Gewalt gewesen.
Forscher kritisieren Waffenlieferungen an Israel
Allein der Krieg in Gaza habe mehr als 53.000 Menschen das Leben gekostet und das Gebiet weitgehend zerstört. Die Friedensforscher befürworten eine Zusammenarbeit mit Staaten wie Frankreich, Großbritannien und Kanada, um für eine "dauerhafte Lösung des Palästinakonflikts einzutreten", sagte der Politologe und Konfliktforscher Christopher Daase bei der Vorstellung des 156-seitigen Gutachtens. "Das schränkt in keiner Weise das Recht Israels auf einen jüdischen Staat in sicheren Grenzen ein", betonte er.
Die Institute kritisieren Waffenlieferungen nach Israel, wenn humanitäres Völkerrecht verletzt werde. Die Bundesrepublik sollte den Export von Waffen und Rüstungsgütern wie etwa Klein- und Leichtwaffen oder Munition und Getriebe für Panzer nach Israel untersagen, die in Gaza oder im Westjordanland zum Einsatz kommen können.
Das Gutachten fordert außerdem von Deutschland, internationale Gerichtsbarkeit zu respektieren: "Völkerrecht geht vor Staatsräson." Das schließe bis auf Weiteres einen Staatsbesuch des israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu in Deutschland aus.
Mehr westliche Unterstützung für die Ukraine
Zudem wird im Gutachten vor einer direkten Bedrohung Deutschlands und Europas durch einen autoritären Staatsumbau in den USA gewarnt. Daase spricht vor einer "autoritären Ansteckung". Auch in Europa seien bereits bedenkliche Tendenzen wie die Untergrabung der internationalen Gerichtsbarkeit, die Infragestellung der Wissenschaftsfreiheit und Eingriffe in die Autonomie gesellschaftlicher Akteure wie der Kirchen erkennbar. "Die transatlantische Partnerschaft, wie wir sie kannten, ist am Ende", erklärte Daase. Die USA seien zu einem "Unsicherheitsfaktor" geworden.
Hinsichtlich des russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine fordert das Gutachten einen Ausbau der westlichen Unterstützung. Nicole Deitelhoff, Direktorin des am Gutachten beteiligten Leibniz-Instituts für Friedens- und Konfliktforschung (PRIF), schlug dazu im Interview mit tagesschau24 eine Doppelstrategie vor: Es gelte einerseits, die USA so weit wie möglich "an Bord zu halten", andererseits unabhängig von ihnen zu werden. Man müsse "die eigenen Möglichkeiten endlich erweitern, selbst in die Rüstungsproduktion einsteigen und auch in Fähigkeiten investieren".
Das Friedensgutachten ist eine jährliche Publikation des PRIF, des Bonn International Centre for Conflict Studies, des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg und des Instituts für Entwicklung und Frieden der Universität Duisburg-Essen.