Eine Person hält ein Telefon mit dem Schriftzug "Hausarzt" in den Händen.

Lob und Kritik für Warken-Plan Immer zuerst zum Hausarzt - was bringt das?

Stand: 27.05.2025 07:10 Uhr

Ministerin Warken will mehr Effizienz im Gesundheitssystem. Patienten mit unklaren Beschwerden sollen künftig immer zuerst zum Hausarzt, der dann an Fachärzte verweist. Der Plan ist umstritten.

Von Dietrich Karl Mäurer, ARD-Hauptstadtstudio

Beim Deutschen Ärztetag, der heute in Leipzig beginnt, steht ein großes Reformprojekt der neuen Bundesregierung auf dem Programm: das sogenannte Primärarztsystem. Es soll helfen, das überlastete Gesundheitssystem effizienter zu machen.

Die neue Bundesgesundheitsministerin Nina Warken will in Leipzig für das Vorhaben werben. Es ist der erste öffentliche Auftritt der CDU-Ministerin vor der Ärzteschaft. Für Warken ist das neue System ein wichtiger Schritt: Patientinnen und Patienten sollen sich künftig mit unklaren Beschwerden zuerst an eine Hausärztin oder einen Hausarzt wenden.

Warken erwartet "passgenaue Behandlung"

"Die kennen die Menschen ja sowieso immer am besten", sagte Warken dem ARD-Hauptstadtstudio. Dort werde dann entschieden, ob eine Weiterbehandlung beim Facharzt notwendig ist. Doch es soll auch Ausnahmen vom Hausarztprinzip geben - etwa für Fachrichtungen wie Augenheilkunde oder Gynäkologie.

Ziel der Reform ist es, Behandlungen gezielter zu steuern, Wartezeiten zu verkürzen und die medizinische Versorgung insgesamt besser zu organisieren durch eine "passgenaue Diagnose und eine passgenaue Behandlung", so Warken.

Rückenwind von Ärzteschaft

Unterstützung erhält Warken schon vorab von der Bundesärztekammer. Präsident Klaus Reinhardt lobte das Modell: Viele Menschen würden heute an der falschen Stelle im System landen, was Zeit und Ressourcen koste. Das Primärarztsystem könne unnötige Arztbesuche vermeiden und damit den Weg freimachen für jene, die wirklich Hilfe brauchen.

Reinhardt bringt zudem ein gestuftes Versicherungssystem ins Spiel, wie es in Dänemark existiert. Ein Tarif könnte die Hausarztbindung vorschreiben - ein anderer, teurerer Tarif, freie Arztwahl bieten. So hätten Patientinnen und Patienten weiterhin Wahlfreiheit, müssten aber für mehr Flexibilität auch mehr zahlen.

Skeptisch ist er allerdings gegenüber einer "Termingarantie" beim Facharzt, die als Anreiz für das neue System diskutiert wird. Garantien seien für einen Arzt ein "schwieriges Thema", sagt der Präsident der Bundesärztekammer dem ARD-Hauptstadtstudio.

Praxisgebühr sollte ähnlichen Effekt haben

Doch nicht alle sehen die Reformpläne positiv. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz warnt davor, dass schon jetzt viele Hausarztpraxen am Limit seien und bereits Neupatienten abweisen. Es fehle "zuallererst eine effiziente Steuerung der ambulanten medizinischen Praxen" kritisierte Stiftungsvorstand Eugen Brysch. Darunter litten vor allem alte, immobile oder pflegebedürftige Menschen.

Die Stiftung kritisierte zudem, dass die Politik nicht genug über Verfügbarkeit und Erreichbarkeit der Vertragsärzte spricht. Hinzu kommt das Misstrauen vieler Menschen. Zwei Drittel der Bevölkerung stehen dem Konzept laut Stiftung kritisch gegenüber.

Der Plan für ein Primärarztsystem weckt Erinnerungen an die ungeliebte Praxisgebühr, die von 2004 bis 2012 erhoben wurde: Damals mussten Patientinnen und Patienten pro Quartal zehn Euro zahlen - beim Hausarzt ebenso wie beim Facharzt, wenn sie ohne Überweisung dorthin gingen. Ziel war es, den Hausarzt als erste Anlaufstelle zu stärken. Tatsächlich sorgte die Gebühr aber vor allem für Bürokratie und wurde schließlich nach breiter Kritik wieder abgeschafft.

Ministerin spricht von Schritt nach vorn

Bundesgesundheitsministerin Warken betont, dass das neue System mit der alten Praxisgebühr nichts gemein habe. Es gehe nicht um zusätzliche Belastungen, sondern um eine bessere Steuerung. Das Primärarztsystem bezeichnet sie als einen "Schritt nach vorne" hin "zu mehr Zielgenauigkeit und auch zu einer besseren und schnelleren Versorgung".

Auch die angespannte Finanzlage des Gesundheitswesens spielt bei der Reform eine Rolle. Die Ministerin stellt klar: Neue Belastungen für Versicherte oder höhere Beiträge solle es nicht geben.

Wie das Primärarztsystem am Ende konkret ausgestaltet wird, ist noch offen. Auf dem Deutschen Ärztetag in Leipzig dürfte darüber diskutiert werden, wie das Konzept gleichermaßen patienten- und praxis-freundlich gestaltet werden kann.

Dietrich Karl Mäurer, ARD Berlin, tagesschau, 27.05.2025 00:16 Uhr