
Kabinett billigt Entwurf Was Dobrindt in der Migrationspolitik plant
Ende der schnelleren Einbürgerung und Stopp des Familiennachzugs für subsidiär geschützte Flüchtlinge: Das Kabinett hat die Pläne von Innenminister Dobrindt zur Verschärfung der Migrationspolitik beschlossen. Worum es geht.
Drei Wochen nach dem Start der schwarz-roten Regierung hat Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) dem Kabinett die ersten Gesetzentwürfe zur Begrenzung der Migration nach Deutschland und zur Einbürgerung vorgelegt: Der Familiennachzug für Flüchtlinge ohne Asylstatus soll ausgesetzt und die beschleunigte Einbürgerung abgeschafft werden.
Auf beide Änderungen hatten sich Union und SPD in ihren Koalitionsverhandlungen verständigt. Das Kabinett hat die Pläne gebilligt, jetzt müssen Bundestag und Bundesrat zustimmen.
Was soll sich bei den Einbürgerungen ändern?
Die Bundesregierung will das Ende der sogenannten "Turbo"-Einbürgerung. Statt nach drei Jahren soll ein deutscher Pass frühestens nach fünf Jahren vergeben werden, kündigte Dobrindt an.
Damit würde eine Neuregelung der Ampelkoalition wieder aufgehoben. "Die Express-Einbürgerung nach drei Jahren Aufenthalt war ein Irrweg. Wir beenden den jetzt. Die deutsche Staatsbürgerschaft muss am Ende eines Integrationsprozesses stehen und nicht am Anfang", sagte der Bundesinnenminister.
Rund 200.000 Menschen wurden im vergangenen Jahr eingebürgert, der höchste Stand seit einem Vierteljahrhundert. In der Regel darf man nicht auf Sozialhilfe angewiesen sein und muss einen festen Arbeitsplatz sowie gute Sprachkenntnisse vorweisen.
Was soll sich beim Familiennachzug ändern?
Der Gesetzentwurf des Innenministeriums sieht zudem die Aussetzung des Familiennachzugs von zunächst zwei Jahren für sogenannte "subsidiär Schutzberechtigte" vor, also Menschen, die keinen vollen Flüchtlingsstatus haben.
Sogenannte subsidiär Schutzberechtigte sind Menschen, die kein Asyl bekommen, aber aus anderen Gründen vorerst bleiben dürfen. Aktuell sind dies etwas mehr als 350.000 Menschen. Bislang wurde pro Monat bis zu tausend engen Angehörigen der Familiennachzug nach Deutschland gewährt. "Damit ist jetzt Schluss", hatte Dobrindt der "Bild am Sonntag" gesagt.
Welche Regelung gilt bisher?
Bereits 2016 wurde das kurz vorher eingeführte Recht auf Familiennachzug, wie es andere Flüchtlingsgruppen haben, für diese Gruppe ausgesetzt und seitdem auch nicht wieder eingeführt. Stattdessen wurde 2018 ein Kontingent eingerichtet mit 1.000 Plätzen pro Monat. Von den rund 12.000 im vergangenen Jahr erteilten Visa entfielen nach Angaben des Auswärtigen Amts etwa 7.300 auf den Nachzug von Kindern. Darüber hinaus können Ehegatten oder Eltern in Deutschland lebender minderjähriger Kinder über das Kontingent ein Visum erhalten.
Der Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP von 2021 sah zwar eigentlich vor, dass der Familiennachzug auch für Menschen aus dieser Gruppe wieder unbegrenzt möglich werden soll. Umgesetzt wurde dieses Vorhaben aber nicht.
Welches Ziel soll erreicht werden?
Die Aussetzung des Familiennachzugs soll nach den Plänen der schwarz-roten Koalition die Kommunen bei der Aufnahme von Flüchtlingen entlasten. "Die vorübergehende Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten dient der Entlastung der Aufnahme- und Integrationssysteme der Bundesrepublik Deutschland", zitiert die Nachrichtenagentur Reuters aus dem Gesetzentwurf.
Anders als bei Flüchtlingen und Asylberechtigten habe der Gesetzgeber hier mehr Spielraum. "Die Maßnahme, den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten vorübergehend auszusetzen, ist daher für eine rasche Entlastung der Kommunen ein geeignetes Mittel." Man trage damit auch dem öffentlichen Interesse an einer kontrollierten Migrationspolitik Rechnung.
Warum gibt es Kritik an dem Vorhaben?
Vor allem das Aussetzen des Familiennachzugs stößt auf breite Kritik. Mitte Mai hatten bereits mehr als 30 Nichtregierungsorganisationen an die Bundesregierung appelliert, ihre Pläne fallen zu lassen. "Die Aussetzung des Familiennachzugs führt zu langjährigen und schmerzhaften Trennungen", heißt es in einem Appell, den Terre des Hommes, Save the Children Deutschland, Amnesty International, das Deutsche Kinderhilfswerk und andere veröffentlicht hatten. Aus ihrer Sicht ist der Familiennachzug eine "planbare, integrationsfördernde und rechtssichere Möglichkeit, um Schutzsuchende aus Kriegs- und Krisengebieten aufzunehmen".
Auch der Paritätische Gesamtverband protestierte gegen das Vorhaben. Vor dem Hintergrund der bereits deutlich gesunkenen Asylantragszahlen in Deutschland sei "dieser massive Eingriff in die Grund- und Menschenrechte nicht zu rechtfertigen", heißt es in einer am Montag veröffentlichten Stellungnahme. Sichere Zugangswege wie der Familiennachzug seien zudem "die einzigen Einreisemöglichkeiten für Schutzsuchende, insbesondere für Frauen und Kinder, bei denen sie sich nicht auf lebensgefährliche Wege begeben müssen".
Auch aus den Kirchen kommt Kritik. Hamburgs Erzbischof Stefan Heße sagte den Zeitungen der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft, das Grundgesetz stelle die Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung: "Dieses Schutzversprechen gilt für alle Familien in unserem Land - auch für schutzsuchende Familien." Die Aussetzung sei "in ethischer Hinsicht überaus fragwürdig und wirkt sich auch negativ auf die Integration aus".
Der EKD-Flüchtlingsbeauftragte, Bischof Christian Stäblein, sagte den Zeitungen dazu, es sei ein Gebot der Nächstenliebe, dass alle Menschen, gerade auch Geflüchtete und subsidiär Schutzberechtigte, nicht über Jahre hinweg von ihren engsten Angehörigen getrennt blieben.
Wie entwickeln sich die Asylzahlen?
In Deutschland gab es zuletzt weniger neue Asylbewerber. Mit etwa 237.000 Erstanträgen war die Bundesrepublik als bevölkerungsreichstes Land in Europa zwar auch im vergangenen Jahr wieder das gefragteste Ziel. Allerdings waren es allein hier 92.000 Anträge weniger, ein Minus von fast 30 Prozent. Die Zahlen der EU-Agentur unterscheiden sich geringfügig von Angaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), das 2024 knapp 230.000 Anträge zählte.
Eine Hauptursache für den Rückgang ist nach Einschätzung des Chefs des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Hans-Eckhard Sommer, dass Serbien im November 2023 die Flüchtlingsroute nach Ungarn faktisch gesperrt habe. Ob dies dauerhaft so bleibe, sei offen, sagte Sommer in einer Rede Ende März.