
Baden-Württemberg Nach Aufregung um Igel: Wie gefährlich ist das Bornavirus?
In Tübingen hat ein kranker Igel vor kurzem einen Großeinsatz der Feuerwehr ausgelöst. War er mit dem Bornavirus infiziert? Experten klären auf.
Ein kränklich wirkender Igel hat in Tübingen am Donnerstag einen großen Feuerwehreinsatz ausgelöst. Passanten hatten vermutet, dass sich der Igel mit dem für Menschen lebensbedrohlichen Bornavirus infiziert hatte. "Da allerdings gleich auf das Bornavirus zu schließen, halte ich für überzogen", sagt Waltraud Hoyer. In Neckartenzlingen ist sie als "Igelmutter" bekannt und nimmt kranke Tiere in ihre Obhut. Es gebe verschiedene Gründe, warum sich ein Igel kränklich oder auffällig verhalte, sagt sie.
Wenn das Tier den Kopf verdrehe, schwanke oder nicht geradeaus laufe, könne es sich zwar um eine Borna-Krankheit handeln. Allerdings könnten diese Symptome auch bei vielen anderen Hirnerkrankungen auftreten, sagt Dennis Rubbenstroth, der das Nationale Referenzlabor für Bornavirus-Infektionen der Tiere am Friedrich-Loeffler-Institut bei Greifswald leitet. Ein Schwanken könne auch ein Zeichen von Schwäche sein. "Es gibt daher nicht das eine Krankheitsbild, bei dem man sicher auf eine Infektion mit dem Bornavirus rückschließen kann."
Bekannt geworden ist das Bornavirus im 19. Jahrhundert als Tierseuche. Die virale Infektionskrankheit ist schon seit Langem bei Pferden, Schafen und anderen Säugetieren in Mitteleuropa bekannt. Beim Menschen tritt eine Infektion mit dem Erreger sehr selten auf. Nur eine Handvoll Menschen infizieren sich pro Jahr in ganz Deutschland. "Prinzipiell können auch Igel erkranken", sagt Wissenschaftler Rubbenstroth. Diese Erkenntnis sei aber recht neu.
Feldspitzmaus überträgt Bornavirus
Die größte Ansteckungsgefahr für Menschen besteht beim Kontakt mit Feldspitzmäusen und ihren Ausscheidungen. Sie tragen das Virus, ohne selbst zu erkranken und können es etwa durch Urin, Kot oder Speichel übertragen. Mit dem Virus infizierte Feldspitzmäuse sind in einem kleineren Gebiet zwischen Brandenburg und Bayern gefunden worden. Im Raum Reutlingen gab es im letzten Jahr nur einen einzigen Fund. Im Tübinger Raum kommt das Virus bisher nicht vor.

Feldspitzmäuse kommen in weiten Teilen Europas vor, aber nur in wenigen Regionen sind sie mit dem Bornavirus infiziert.
Das Virus ist wenig mobil, sagt Dennis Rubbenstroth. Das Gebiet, in dem es auftritt, sei seit Jahrzehnten, vielleicht sogar Jahrhunderten, weitgehend das gleiche.
Dass ein Igel, den man im Tübinger Raum findet, das Bornavirus hat, ist extrem unwahrscheinlich. Dennis Rubbenstroth, Leiter Virusdiagnostik, Friedrich-Loeffler-Institut Greifswald
Bornavirus bei Menschen: Gefährlich, aber sehr selten
"Wir kennen viele Orte, an denen infizierte Spitzmäuse leben, wo sich seit Jahrzehnten noch nie ein Mensch infiziert hat", sagt Rubbenstroth. Weniger als zehn Fälle sind es deutschlandweit pro Jahr. "Bis ein Mensch sich infiziert, scheinen einige Faktoren zusammenkommen zu müssen." Die Krankheit verlaufe mit hoher Wahrscheinlichkeit tödlich, da es bisher weder eine Therapie noch einen Impfstoff gibt.
Krankes Tier gefunden - Was kann ich tun?
Wer ein krankes Tier findet, sollte es immer mit Handschuhen oder zumindest einem T-Shirt oder anderem Stoff fangen. Denn Wildtiere können auch andere Krankheiten in sich tragen, die für den Menschen unangenehm werden können. Das Tier sollte man dann in eine Wildtier-Auffangstation oder zum Tierarzt bringen, rät der Wissenschaftler.
Waltraut Hoyer aus Neckartenzlingen kümmert sich seit neunzehn Jahren ehrenamtlich um kranke Igel. Sie empfiehlt, die Tiere in einer ausbruchssicheren Box zu fangen, denn ein kranker Igel brauche Wärme und Schutz. "Dann kann man ihm Wasser und Futter geben. Aber auf keinen Fall Thunfisch aus der Dose, sondern Fleisch oder Insekten."
Sendung am Mo., 19.5.2025 6:30 Uhr, SWR Studio Tübingen Regionalnachrichten