
Berlin Interview: Berlin will als Schwammstadt jeden Regentropfen nutzen
Alle sprechen von Berlin als Schwammstadt – doch was heißt das eigentlich? Grit Diesing von der Berliner Regenwasseragentur erklärt das Prinzip und wie weit der Umbau in der Hauptstadt eigentlich schon fortgeschritten ist.
rbb24: Wurde beim bisherigen Städtebau einfach der Boden versiegelt und nie daran gedacht, Regenwasser in irgendeiner Form zu nutzen?
Grit Diesing: Gerade im dichtbebauten Innenstadtbereich mit der sogenannten Mischwasserkanalisation ging es früher vor allem darum, das Regenwasser schnellstmöglich aus der Stadt herauszuleiten und trockenen Fußes von A nach B zu kommen. Das ist der konventionelle Ansatz mit Regenwasser umzugehen in vielen Innenstädten.

Was sind das für Maßnahmen, die eine Stadt zu einer Schwammstadt werden lassen?
Es gibt viele Möglichkeiten. Man kann Dächer und Fassaden begrünen, aber auch Flächen entsiegeln oder wasserdurchlässig gestalten. Man kann das Regenwasser versickern, etwa über Mulden oder über unterirdische Versickerungsanlagen, sogenannte Rigolen, oder man kann es zum Beispiel auch einfach sammeln und nutzen für die Bewässerung oder für die Toilettenspülung - klein gedacht mit einer Regentonne, groß gedacht mit einer Zisterne.

Rigolen wurden beispielsweise an einem Straßenrand in Berlin-Adlershof umgesetzt.
Jetzt haben wir eine außerordentliche Trockenheit. Inwieweit kann die Schwammstadt jetzt helfen?
Schwammstadt kann helfen, das Stadtgrün besser mit Regenwasser zu versorgen und wertvolles Trink- oder Grundwasser einzusparen. Man macht das Stadtgrün resilienter, indem man das Regenwasser von den angrenzenden versiegelten Flächen nimmt und es dem Grün zuführt. Das hat einen großen Effekt für die Kühlung und schafft ein angenehmes Klima in der Stadt. Jeder kann spüren, dass es auf stark versiegelten Flächen oft viel heißer ist als in einem gut mit Wasser versorgten Park.
Man sagt, dass es zur Trockenheit gehört, dass zu anderen Zeiten starke Regenfälle und Überschwemmungen drohen. Inwieweit hilft da eine Schwammstadt?
Schwammstadt hilft, weil jeder Tropfen, der nicht in der Kanalisation landet, keinen Schaden anrichtet – entweder im Gewässer oder auch in Kellern oder Tiefgaragen. Denn die Kanalisation ist nämlich nicht für Starkregenfälle ausgelegt, die inzwischen immer häufiger und intensiver auftreten. In der Innenstadt, wo häusliches Schmutzwasser und Regenwasser in einem Kanal gemeinsam ablaufen, läuft die Kanalisation dann einfach über. So läuft unbehandeltes Abwasser in die Oberflächengewässer - Landwehrkanal, Spree, Havel - und dann kommt es zu Gewässerbelastungen, im schlimmsten Fall zu Fischsterben.
Gibt es andere Städte, die da schon weiter sind als Berlin?
Beim Neubau sind wir in Berlin schon sehr weit, weil seit 2018 schwammstadtgerecht gebaut werden muss. Aber für den Umbau des Bestands zur Schwammstadt gibt es trotz ambitionierter Ziele der Stadt und vieler guter Beispiele nicht wirklich verbindliche Vorgaben für die Eigentümer der Flächen. Es braucht alle Berliner, ob Wohnungsunternehmen, Bezirke, Einzeleigentümer, Gewerbetreibende und Planer, um den Bestand zur Schwammstadt umzubauen.
Wir schauen natürlich immer wieder auch in andere Länder, die schon weit vorangekommen sind. Kopenhagen ist für uns zum Beispiel ein großes Vorbild, weil die seit 2011 schon strategisch das Thema Schwammstadt angehen. So haben sie es geschafft, dass man zum Beispiel wieder in dem Hafenbecken von Kopenhagen schwimmen kann. Damit hat sich die Lebensqualität deutlich verbessert.
Was fehlt uns, um aufzuholen? Ist das eine Frage des Geldes?
Die Vielfalt der Schwammstadtmaßnahmen ist groß: Von ganz einfachen naturnahen Maßnahmen, wie Gefälle eines Gehwegs so anzupassen, dass das Regenwasser hin zu den Bäumen läuft, bis hin zu großen technischen Anlagen, beispielsweise Zisternen, die das Regenwasser speichern. Da die Spanne der Maßnahmen groß ist, ist auch die Kostenspanne für die Schwammstadt relativ groß.
Neben dem, was uns die Schwammstadt kostet, muss man aber auch die ganzen Einsparungen mitdenken, die sie bringt. Jeder Einzelne, der das Regenwasser auf seinem Grundstück zurückhält, spart die Niederschlagswassergebühr beispielsweise ein. Und wir sparen auch gesamtwirtschaftlich Kosten, weil wir Schäden vermeiden. Gerade im Starkregenfall kann es sonst zu massiven Schäden an Infrastruktur und Gebäuden kommen - und auch zu Risiken für uns Menschen.
Inwieweit weit kann man denn Schwammstadt auch als Schutzschild gegen die Folgen des Klimawandels sehen?
Schwammstadt ist ein zentraler Baustein für die Klimafolgenanpassung. Wenn wir es nicht schaffen, die Stadt durch diesen Ansatz resilienter, kühler und natürlich auch lebenswerter zu machen, […] dann werden wir umso stärker getroffen werden von Hitzewellen, Dürreperioden und Starkregen. Und wir werden unser für das Stadtklima wichtiges Berliner Stadtgrün nicht mehr in der Form halten können.
Mit Grit Diesing sprach Christoph Schrag für den rbb24-Podcast "7 Tage wach – die Woche mit Schrag und Schröder". Der Text ist eine gekürzte und redigierte Fassung des Gesprächs.