Symbolbild:Ein Mann geht die Treppen in einem Treppenhaus hinunter in Berlin.(Quelle:picture alliance/Photothek/F.Gaertner)

Berlin Obdachlose und Drogenabhängige: Grenzbegegnungen in Berliner Treppenhäusern

Stand: 19.05.2025 11:43 Uhr

Für viele Menschen ist es belastend, wenn sie im Treppenhaus ihres Hauses auf obdachlose, Drogen konsumierende oder verhaltensauffällige Menschen treffen. Über unangenehme Begegnungen in einem Zwischenraum Von Anna Bordel

Treppenhäuser können - besonders nachts – unheimlich sein, Geräusche oder Gerüche eilen der Sicht voraus. Das Gefühl des privat Heimeligen auf dem Weg zur eigenen Wohnung ist möglicherweise schon da, die Schuhe hat man aber noch an, der Straßendreck und damit das Öffentliche kommt also noch ein Stück mit rein. Treppenhäuser sind ein Ort, den man freiwillig oder unfreiwillig mit anderen teilt, meist mit den Nachbarn oder deren Besuchern, aber eben nicht nur.

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Obdachlose schlafen im Treppenhaus

Teils nutzen auch obdachlose Menschen ein Treppenhaus, um Schutz zu suchen, vor Kälte, Hitze oder um einen ruhigen Ort zum Schlafen zu haben oder sich einen Schuss zu setzen. Auch Begegnungen mit Nachbarn können konfliktreich sein, wenn diese zum Beispiel andere Vorstellungen von Nachtruhe haben als man selbst oder verhaltensauffällig sind. Muss man solche Begegnungen in Berlin abkönnen?
 
Sie möchte es nicht aushalten, sagt Paula Granoux dem rbb. Sie wohnt seit 12 Jahren in ihrer Wohnung im 4. Stock eines Mehrfamilienhauses an der Hermannstraße in Berlin-Neukölln. Seit einiger Zeit werde die Haustür immer wieder ramponiert und aufgebrochen. Obdachlose schlafen im Treppenhaus, hinterlassen Pisse, Kacke und Reste ihres Drogenkonsums, so erzählt sie es und zeigt Fotos. Sie fühle sich dadurch erheblich gestört und vor allem unsicher.

Immer mehr obdachlose Menschen

"Dass Obdachlose Schutz in Treppenhäusern suchen, wird auf jeden Fall ein größeres Phänomen", sagt Andreas Abel, Straßensozialarbeiter bei Gangway. Ein Grund dafür ist ihm zufolge, dass es generell mehr obdachlose Menschen gibt in Berlin. Ein weiterer, dass diese aus dem öffentlichen Raum zunehmend verdrängt werden.
 
"Die Reinigungsstreifen in den U-Bahnen sind zum Beispiel dafür verantwortlich", erzählt er. Die würden obdachlose und Drogen konsumierende Menschen aus den U-Bahnhöfen rausschmeißen. Dadurch würden diese dann in den angrenzenden Wohngebieten nach Rückzugsmöglichkeiten suchen - unter anderem in Treppenhäusern.

Schutz vor Kälte, Hitze und Überfällen

"Mich würde erstmal nicht stören, wenn ein obdachloser Mensch in meinem Treppenhaus ist", so Abel. "Das käme auf das Verhalten dieses Menschen an. Wenn da die ganze Zeit Müll rumliegt oder so, dann würde ich mit ihm reden und sagen, dass ich das nicht angenehm finde". Abel weiß, dass andere Menschen, dies anders empfinden. Er und auch andere Organisationen aus der Obdachlosenhilfe betonen, dass es wichtig sei, den Menschen höflich aufzufordern, das störende Verhalten zu unterlassen. "Wenn das gar nicht geht, weil jemand aggressiv wird, dann wird man wohl die Polizei rufen müssen", sagt er.
 
Gut sei es, den betreffenden Menschen beim Auffordern, das Treppenhaus zu verlassen, konkret sagen zu können, wo er in der Nähe weitere professionelle Hilfe finden kann. Obdachlose und drogenabhängige Menschen suchen nicht nur im Winter vor Kälte, sondern auch im Sommer vor der Hitze Schutz, so Barbara Breuer von der Berliner Stadtmission. Menschen, die vorrangig auf der Straße leben, schlafen nachts schlecht, weil sie in Angst vor einem Überfall ständig in Habacht-Stellung sind, so Breuer. Daher würden einige in Treppenhäusern Schutz suchen. Ihnen deshalb den Weg zu einem auch im Sommer geöffneten Hilfsangebot zu erklären, sei daher angemessen.

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Psychotisch sein ist erlaubt

Nicht immer geht es bei unangenehmen Begegnungen im Treppenhaus um obdachlose Menschen. Manchmal sind es auch Nachbarn, mit denen ein Aufeinandertreffen im Treppenhaus schwierig ist.
 
Thore Würger vom Berliner Krisendienst berichtet von regelmäßigen Anrufen von Menschen, die von verhaltensauffälligen psychisch erkrankten Nachbarn belastet sind. "Es kommt vor, dass ein Nachbar schreit, an die Wände klopft oder andere beschuldigt, ihn abzuhören. Das kann sehr anstrengend sein". In solchen Gesprächen versucht Würger, auch Verständnis für den Nachbarn zu erwecken. Es habe eben jeder ein Recht darauf, psychisch krank zu sein, sagt er.
 
Wenn daraus in der eigenen Nachbarschaft bedrohliche Situationen entstehen, könnte man natürlich stets die Polizei anrufen, um sich zu schützen. In den allermeisten Situationen sei die Lage aber seiner Erfahrung nach nicht gefährlich. Zur Orientierung, wie man psychisch auffälligen Nachbarn helfen könnte und auch zur eigenen Entlastung kann man sich zum Beispiel an den Berliner Krisendienst wenden.

Haustürschloss reparieren ist teuer

Allerdings müssen nicht nur die Anwohner selbst tätig werden. Auch der Vermieter trägt Verwantwortung für das Treppenhaus. Er muss dafür sorgen, dass die Haustür ein Hindernis beim Eintreten in das Haus darstellt, so ein Sprecher des Mieterschutzbundes Berlin. Dass sei natürlich nicht mehr gegeben, wenn sich die Tür einfach aufdrücken lasse. Das Schloss einer massiven Tür zu reparieren, koste allerdings mehrere Tausend Euro, das wollten Vermieter meist nicht allzu regelmäßig machen. In so einem Fall rät der Mieterschutzbund Mietern dazu, sich stets weiter bei der Wohngesellschaft zu beschweren.
 
Die Deutsche Wohnen bestätigt dem rbb, erst kürzlich die Tür von Paula Granouxs Haus in Neukölln repariert zu haben. Beim Besuch der rbb-Reporter war sie allerdings bereits wieder von außen ohne Schlüssel zu öffnen. "Ich rufe mindestens ein Mal in der Woche bei denen an", sagt Granoux. Nachhaltig ist das bislang offenbar nicht.

Sendung: rbb24 Abendschau, 15.05.2025, 19:30 Uhr