Symbolbild: Kombinierte Bus- und Fahrradspur in Berlin. (Quelle: dpa/Karl-Heinz Spremberg)

Berlin Warum der Senat Busse pünktlicher machen könnte - es aber noch nicht macht

Stand: 18.05.2025 14:13 Uhr

Immer weniger Busse in Berlin kommen pünktlich. Neue Busspuren könnten da helfen, seit diesem Jahr können sie auch leichter angeordnet werden. Warum trotzdem noch nichts passiert ist und was derzeit in Planung ist. Von Klaas-Wilhelm Brandenburg

  • Reform der Straßenverkehrsordnung ermöglicht leichteren Einsatz von Busspuren
  • Verkehrsforscher und Fahrgastverband fordern Verwaltung zu schnellem Handeln auf
  • Senatsverwaltung verweist auf Busspur-Warteliste und weitergehende Prüfungen
  • mehr Busspuren könnten Busse pünktlicher machen und Geld einsparen

Berlin-Neukölln, Sonnenallee Ecke Hermannplatz: Der Bürgersteig ist voll, immer mehr Menschen drängeln sich an der Bushaltestelle, denn der nächste Bus der Linie M41 in Richtung Ringbahn hat Verspätung. Und der danach auch. Und der danach. Kein Wunder: Die Straße ist verstopft mit Autos, und eine Busspur gibt es nicht. Dabei sagt die BVG auf rbb|24-Anfrage: Busspuren seien eine gute Möglichkeit, damit der öffentliche Verkehr schneller wird. Warum wird diese Möglichkeit also nicht stärker genutzt - und deutlich mehr Busspuren eingerichtet?
 
Ein Grund: Im August 2022 stufte das Berliner Verwaltungsgericht die damalige Busspur in der Clayallee in einem Eilverfahren als rechtswidrig ein. Seitdem wurden - außer ein 400 Meter kurzer Streifen in der Hildburghauser Straße in Marienfelde - keine neuen Busspuren mehr eingerichtet. Denn das Gericht stützte sich bei seiner Entscheidung auf die Straßenverkehrsordnung (StVO), und die setzte hohe Hürden für neue Busspuren. So mussten auf einer Strecke mindestens 20 Busse pro Stunde fahren, im Durchschnitt also alle drei Minuten. Außerdem brauchte es eine sogenannte qualifizierte Gefahrenlage. Das alles hat sich aber mittlerweile geändert.

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Verkehrsforscher fordert: keine große Straße ohne Busspur

Denn im vergangenen Jahr wurde die StVO reformiert, Anfang April ist auch die Verwaltungsvorschrift dazu veröffentlicht worden. Seitdem braucht es keine 20 Busse pro Stunde und keine Gefahrenlage mehr. Stattdessen können Busspuren jetzt auch zum Schutz der Umwelt, der Gesundheit oder aus Klimaschutzgründen angeordnet werden.
 
Wie bisher müssen dabei die Leichtigkeit und die Sicherheit des Verkehrs berücksichtigt werden. Im Gegensatz zu früher meint "Verkehr" aber nicht mehr nur Autos und LKW, sondern auch Busse, Straßenbahnen, Fahrräder und Fußgänger. Und es ist mittlerweile auch rechtlich in Ordnung, wenn bestimmte Verkehrsarten durch neue Busspuren Nachteile haben.
 
"Jetzt kann niemand mehr sagen, man könne in Sachen Busspuren nichts machen", sagt Verkehrsforscher Andreas Knie vom Wissenschaftszentrum Berlin. Aus seiner Sicht dürfe keine große Straße mehr ohne Busspur bleiben, zumindest innerhalb des S-Bahn-Rings. Knie nennt Leipziger Straße, Heinrich-Heine-Straße, Urbanstraße und Sonnenallee als die dringendsten Beispiele.

Fahrgastverband will wenige neue Busspuren in kurzer Zeit

Auch Christian Linow vom Berliner Fahrgastverband IGEB sagt: "Es gibt keine Ausreden mehr!" Die Senatsverwaltung für Verkehr müsse so schnell wie möglich handeln und solle sich im Zweifel erstmal wenigen Projekten widmen, die dafür umso schneller umgesetzt werden, mindestens noch in dieser Legislaturperiode.
 
Der IGEB schlägt zum Beispiel Busspuren in der Kantstraße und rund um den U-Bahnhof Schlesisches Tor vor. Außerdem brauche es wegen der bevorstehenden A100-Verlängerung nach Treptow auch zwischen Elsenbrücke und Ostkreuz Busspuren, und zwar auf dem Markgrafendamm und der Hauptstraße. Idealerweise würden diese Busspuren dann auch gleich gegen anderen Verkehr geschützt.

Verkehrsverwaltung verweist auf Busspur-Warteliste

Sogar der Berliner Landesverband des Fahrradclubs ADFC fordert mehr Busspuren - auch wenn er hinzufügt, dass getrennte Radwege noch besser seien. Und weil Taxis Busspuren mitbenutzen dürfen, wünscht sich die Taxi-Innung Berlin ebenfalls mehr davon: "Das gäbe uns die Chance, zuverlässiger und pünktlicher zu werden", sagte der Vorsitzende der Innung, Leszek Nadolski, rbb|24.
 
Was also macht die Senatsverwaltung für Verkehr? Sie teilt auf rbb|24-Anfrage mit, dass sie zurzeit in keiner der von Verkehrsforscher Knie oder Fahrgastverband IGEB genannten Straßen neue Busspuren plant, auch nicht in der Clayallee. Stattdessen verweist sie auf eine Liste mit Busspuren, die zwar vor Jahren bereits angeordnet, aber wegen der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bisher noch nicht umgesetzt worden seien [parlament-berlin.de, PDF, Seite 3].

Verkehrsforscher fehlen "Aufbruch und Gestaltungswille"

Auf dieser stehen zum Beispiel Invalidenstraße, Reichpietschufer oder Britzer Damm. Die dort geplanten Busspuren würden nun neu geprüft. Vorher aber müssten "der Prüf- und Bearbeitungsprozess zur Anordnung von Bussonderfahrstreifen entsprechend zunächst neu abgestimmt" und anschließend Verkehrskonzepte erstellt werden - die Senatsverwaltung werde "sukzessive entscheiden, für welche Straßen" genau.
 
Für Verkehrsforscher Andreas Knie trägt das den "Tenor: Wir könnten jetzt eigentlich schon, wenn wir wollten und wenn wir einen Plan hätten, aber wir halten uns doch lieber noch zurück." Nach "Aufbruch und Gestaltungswille" klinge das nicht, sagt Knie.

Busspuren können Pünktlichkeit steigern

Dabei gibt es durchaus Bedarf für neue Busspuren: Im vergangenen Jahr kamen nur 88 Prozent der Berliner Busse pünktlich - der schlechteste Wert seit fünf Jahren. Und das, obwohl die BVG schon 2023 den Fahrplan auf vielen Linien ausgedünnt hat. Immerhin fielen 2024 weniger Busse komplett aus als noch 2023.
 
Dass Busspuren die Pünktlichkeit steigern können, hat sich zum Beispiel 2016 gezeigt. Damals wurden für den Bus TXL zum Flughafen Tegel zwei kurze Busspuren auf der Beussel- und der Invalidenstraße markiert - insgesamt knapp 600 Meter. Etwa ein Jahr später waren 85,7 Prozent der Busse pünktlich - vorher waren es nur 79,6 Prozent.

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Auch Ampelschaltungen könnten Busse schneller machen

Eine Voraussetzung für solche Erfolge ist aus Sicht des Fahrgastverbands IGEB allerdings, dass Spuren bis an Kreuzungen heranreichen. "Wenn sie kurz vorher enden und die Busse sich dann in den Abbiegeverkehr einfädeln müssen, sind sie nutzlos", sagt IGEB-Sprecher Christian Linow. Busspuren seien zudem nur dann hilfreich, wenn auch regelmäßig kontrolliert werde, dass sie nicht zugeparkt sind, gibt Verkehrsforscher Knie zu bedenken.
 
Und schließlich sollten neben Busspuren auch mehr Vorrangschaltungen für Busse an Ampeln eingerichtet werden. "Busspuren und Vorrangschaltungen sind keine Raketentechnik", so IGEB-Sprecher Linow. Verkehrs-Experte Knie ist da teilweise skeptischer: "Viele Berliner Ampeln sind ziemlich alt, das macht jede Umprogrammierung kompliziert."

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3,4 Millionen Euro Zusatzkosten pro Jahr

Doch selbst dieser Aufwand könnte sich lohnen: Denn je langsamer Busse fahren, desto teurer wird es. Die BVG muss "aufgrund ausbleibender Beschleunigung" jedes Jahr 65 Fahrer:innen zusätzlich einsetzen, heißt es in der Antwort der Verkehrsverwaltung auf eine schriftliche Anfrage des verkehrspolitischen Sprechers der SPD im Abgeordnetenhaus, Tino Schopf [parlament-berlin.de, PDF, Seite 11]. Dieses zusätzliche Personal kostet: rund 3,4 Millionen Euro pro Jahr.
 
Mit neuen Busspuren ließe sich also wohl auch Geld sparen. Gleichzeitig kosten sie nur sehr wenig: "Sie gehören zu den günstigsten verkehrspolitischen Maßnahmen", so Verkehrsforscher Knie. Jetzt müssten sie nur noch angeordnet werden - und viele Fahrgäste dürften hoffen, dass sie darauf nicht so lange warten müssen wie mitunter auf die Berliner Busse.