Rechenzentrum Ludwigsfelde in Brandenburg (Quelle: rbb/Tabea Schoser)

Brandenburg Antragsflut: Brandenburger Stromnetz reicht nicht für alle Rechenzentren

Stand: 17.05.2025 10:26 Uhr

Streaming, Cloud, Videokonferenzen – ohne Rechenzentren läuft digital nichts. In Brandenburg sollen künftig deutlich mehr dieser Datenzentren entstehen. Doch der Ausbau stößt an Grenzen – vor allem beim Stromnetz. Von Tabea Schoser

Wer in das Rechenzentrum von Vantage Data Centers in Ludwigsfelde will, braucht ein Auto - und viele Zugangscodes. In einem grauen Funktionsgebäude mitten im Gewerbegebiet, hinter Sicherheitsschleusen und Alarmtüren, liegt die Datenhalle. Hier stehen hunderte identische Schränke mit Servern - Hochleistungscomputer ohne Bildschirme.

Andreas Graf-Matzner, Country Manager Germany bei Vantage Data Centers. (Quelle: Andreas Graf-Matzner)

Andreas Graf-Matzner

"Das ist nur eine von vier Datenhallen in dem Gebäude. Da sind nicht nur Daten gespeichert, sondern da laufen auch Rechenprozesse und solche Dinge ab", erklärt Andreas Graf-Matzner von Vantage Data Centers - fast übertönt von der Lüftung, die die heißen Maschinen kühlt.

Das US-Unternehmen betreibt sechs Rechenzentren in Brandenburg, vier davon am Standort Ludwigsfelde. "Was wir zur Verfügung stellen, ist das Gebäude, die physische Sicherheit, die gesicherte Stromversorgung und die Klimatisierung", erklärt Graf-Matzner. Die Server bringen die Kunden mit. Die Kunden – das sind Tech-Konzerne wie Microsoft, Amazon oder Google, die ihre Cloud-Dienste in eigenen Servern betreiben und riesige Mengen an Rechenleistung benötigen

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Rechenzentren werden rund um die Uhr gebraucht

Rechenzentren bilden die Grundlage der digitalen Infrastruktur – sie laufen rund um die Uhr und werden ständig genutzt, meist unbemerkt. Zum Beispiel bei Videokonferenzen: Die nötigen Prozesse finden nicht auf dem eigenen Gerät statt, sondern in Rechenzentren wie denen in Ludwigsfelde. Und dafür braucht es Strom – sehr viel Strom.
 
Allein die Rechenzentren in Ludwigsfelde benötigen eine Stromanschlussleistung von 84 Megawatt - genug, um eine Stadt wie Cottbus zu versorgen. "Der Bedarf ist da, das Geld ist da, die Kunden auch“, sagt Graf-Matzner. „Was fehlt, ist meistens der Strom."

Immer mehr Anschlussanträge

Auch die Netzbetreiber bestätigen den Trend - und die Herausforderung. E.DIS, zuständig für das Stromnetz in großen Teilen Brandenburgs, hat aktuell zwei Rechenzentrumsstandorte mit insgesamt knapp 100 Megawatt ans Netz angeschlossen - auch den in Ludwigsfelde.
 
Wie viele Rechenzentren in Brandenburg insgesamt schon in Betrieb sind, ist unklar – laut dem Brandenburger Wirtschaftsministerium werden diese Zahlen nicht erfasst, da viele Rechenzentren zur kritischen Infrastruktur gehören.

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Aberr das Interesse wächst rasant: "Allein im Jahr 2024 haben wir rund 60 Anschlussanträge für Rechenzentren mit einer Gesamtleistung von rund 9.000 Megawatt erhalten", sagt Danilo Fox von E.DIS. Zum Vergleich: Die derzeitige Jahreshöchstlast im gesamten Netzgebiet von E.DIS liegt bei etwa 2.400 Megawatt.
 
"Diese Leistungsbedarfe können nicht ohne Weiteres an das vorhandene Verteilnetz angeschlossen werden", heißt es von E.DIS. In der Regel ist dafür ein Netzausbau nötig - der hat bereits begonnen, kann aber mehrere Jahre dauern.

Großes Interesse, begrenzte Kapazitäten

Während E.DIS als regionaler Netzbetreiber kleinere Rechenzentren ans Stromnetz bringt, ist 50Hertz als Übertragungsnetzbetreiber für die ganz großen Projekte ab 100 Megawatt zuständig.
 
"Die Region Berlin-Brandenburg ist sehr attraktiv für Investoren. Rechenzentren brauchen viel Strom, vorzugsweise grünen", sagt Volker Gustedt von 50Hertz. Hier bietet Brandenburg mit viel Wind- und Solarenergie grundsätzlich gute Voraussetzungen für die Stromversorgung.
 
Aktuell liegen bei 50Hertz sechs Anfragen für solche großen Rechenzentren in Brandenburg vor- zum Beispiel für Anwendungen wie das Training von KI-Modellen. "Aber es gibt nicht nur Rechenzentren - andere Verbraucher wollen auch ans Netz und auch Elektromobilität und Wärmepumpen werden zunehmen", so Gustedt. "Die Netzsituation hier im Großraum Berlin ist inzwischen schon recht angespannt." Nicht alle angefragten Rechenzentren werden umgesetzt - die Qualität der Projektpläne ist unterschiedlich. Noch ist kein Rechenzentrum bei 50Hertz angeschlossen.

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Geduld ist gefragt

Aber: In Brandenburg passiert bereits viel. Große Rechenzentren entstehen im Moment zum Beispiel in Wustermark, Neuenhagen bei Berlin und Genshagen/Thyrow. Auch Vantage Data Centers denkt weiter - und hat die Nachbargrundstücke in Ludwigsfelde schon gekauft. "Gedanklich sind wir schon weiter", sagt Graf-Matzner und schmunzelt.
 
Der politische Wille zum Netzausbau ist da: Die neue Bundesregierung hat sich in den Koalitionsvertrag geschrieben, den Ausbau von Rechenzentren in Deutschland voranzutreiben – mit besonderem Fokus auf Ostdeutschland. Doch bis viele Rechenzentren tatsächlich ans Netz gehen können, wird es wohl noch dauern. Viel Strom ist zwar da - aber das Netz muss mitwachsen, damit er auch zuverlässig ankommt.

Sendung: rbb24-Inforadio, 07.05.2ß25, 15:45 Uhr