Iranische Straßenbahnfahrerin Cottbus. (Quelle: rbb)

Brandenburg Iranische Tram-Fahrerin in Cottbus: "Unterwegs zu sein, das war immer mein Traum"

Stand: 27.05.2025 16:48 Uhr

Sahar Parval hat im Iran Bus- und Lkw-Fahrer ausgebildet. In Cottbus fährt sie selbst und hält ein System am Laufen, das ohne Fachkräfte kaum noch funktioniert.

Sahar Parval steigt in die leere Straßenbahn der Linie 4. Sie schließt die Tür, startet die Systeme, das Display in der Fahrerkabine flackert. Seit drei Jahren fährt die 39-Jährige durch die Stadt im Süden Brandenburgs. "Man kann die Stadt aus anderen Perspektiven sehen", sagt sie. "Und das Schönste ist, wenn nette Fahrgäste mich grüßen und anlächeln, besonders die Kinder."

Lkw-Fahrerin in zweiter Generation

Parval kommt aus dem Iran, sie hat dort Lkw- und Busfahrer ausgebildet. Ihr Vater war auch schon Fernfahrer und fuhr auf einigen Routen bis nach Europa. Sie durfte dabei zwar nie mit, aber im Iran saß sie bei vielen Touren auf dem Beifahrersitz und beobachtete ihn bei der Arbeit. "Unterwegs zu sein, das war immer mein Traum", sagt Parval.
 
Im Iran ist der öffentliche Nahverkehr strikt nach Geschlechtern getrennt. Beruflich sind Frauen im Verkehrssektor dadurch nur wenig vertreten, Fahrerinnen sind die Ausnahme und benötigen außerdem oft Sondergenehmigungen.

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Neustart in Südbrandenburg

Vor fünf Jahren zog Parval mit ihrem Mann nach Deutschland. Er bekam einen Studienplatz für Wirtschaftsingenieurwesen und sie suchte Arbeit. Sie bewarb sich bei der kommunalen Verkehrsgesellschaft Cottbusverkehr und bekam den Job. "Als ich hier war, habe ich immer gedacht, das könnte interessant sein."
 
Das technische Wissen lernte sie schnell, die neue Sprache fiel ihr dagegen schwerer. "Weil ich viele Sachen auf Deutsch lernen musste, war es nicht einfach für mich", sagt Parval. "Aber trotzdem habe ich es geschafft. Mein Chef hat mich immer unterstützt."

Zu wenig Personal im öffentlichen Nahverkehr

Routiniert fährt Parval die Straßenbahn entlang der Straßen, während ihr ein Kollege in einer anderen Tram entgegenkommt. Es ist ein sonniger Tag, an der nächsten Haltestelle klappt sie die Rampe für einen Mann im Rollstuhl aus, bevor sie ihn fragt, wo er aussteigen möchte.
 
Cottbusverkehr beschäftigt insgesamt 278 Mitarbeitende, darunter sind 28 Fahrerinnen und drei Aushilfsfahrerinnen. "Für Cottbusverkehr ist Weltoffenheit ein sehr wichtiges Thema. Wir beschäftigen mittlerweile Fahrer aus vielen Ländern", sagt Sven Sanders, Pressesprecher der Cottbusverkehr GmbH. "Und wir freuen uns über jeden Bewerber, der zu uns kommt, egal mit welchem Hintergrund."
 
Der öffentliche Personennahverkehr steht aktuell vor erheblichen Herausforderungen. Laut dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) fehlen bundesweit rund 20.000 Fahrer und Fahrerinnen. Das betrifft nicht nur Großstädte wie Berlin, sondern auch kleine wie Cottbus. Aus dem Grund sind Unternehmen wie Cottbusverkehr stark auf qualifizierte Fachkräfte aus dem In- und Ausland angewiesen, um den Betrieb aufrechtzuerhalten.

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Zwischenfall im Dienst

Bisher geriet Parval erst einmal in eine bedrohliche Situation. Während einer Pause schlug ein Mann an die verschlossene Tür ihrer Tram und ließ nicht mehr ab. Parval informierte die Leitstelle und diese rief die Polizei. "Die Polizei wollte zuerst seinen Ausweis. Er hatte keinen. Und der Polizist guckte in seiner Tasche nach. Er hatte Messer drin und so etwas. Ich konnte gar nicht mehr weiterfahren." Parval spricht sachlich darüber und lässt sich davon nicht beeindrucken.

Nach der Schicht

Sobald Parval frei hat, wechselt sie so oft es geht auf ihr Motorrad. Im vergangenen Jahr hat sie sich das 600-ccm-Modell gekauft. Im Iran ist das Motorradfahren für Frauen auf öffentlichen Straßen verboten. Für Frauen werden keine Führerscheine ausgestellt, auch wenn die Regierung seit Jahren ankündigt, diese Regelung zu prüfen und zu überarbeiten.
 
Passiert ist das bislang nicht. Frauen fahren daher meistens heimlich oder auf abgesperrten Rennstrecken. Parval erzählt, dass sie erst vor kurzem eine längere Tour durch Tschechien gemacht hat: "Alles, was die Männer machen, können Frauen auch."

Sendung: Der Tag, 27.05.2025