Nach der DDR-Grenzöffnung am 09.11.1989 kommen Hunderttausende aus dem Osten nach Wetsberlin.

Brandenburg Berlin PMO-Vermögen: Warum die ostdeutschen Bundesländer noch heute Millionen aus DDR-Zeiten bekommen

Stand: 19.05.2025 13:43 Uhr

Die DDR-Staatspartei SED war zu Zeiten der Wende ungeahnt reich. Trotz zahlreicher Verschleierungsmanöver liegt heute viel von dem Geld in öffentlicher Hand. Alle paar Jahre können die ostdeutschen Bundesländer damit Projekte finanzieren. Von Anna Bordel

2,1 Milliarden Euro – eine irre Summe. So viel Geld hat die Bundesrepublik von der DDR geerbt. Dabei gibt es zwei Besonderheiten: Das Ausmaß des Erbes war zu Zeiten der Wende nicht annähernd bekannt und es wurde nicht freiwillig vermacht. Mittlerweile wird das Vermögen treuhänderisch von der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben verwaltet und alle vier Jahre bekommen die ostdeutschen Bundesländer einen Teil davon ausgeschüttet.

Technoclub und Menschenrechtszentrum

2024 kam es zu einer weiteren dieser Ausschüttungen. Ende März 2025 wurde bekannt, wofür die jeweiligen Landesregierungen in Berlin und Brandenburg das Geld ausgeben werden. In Berlin, wo das Geld den Gesetzen entsprechend in den Osten der Stadt fließen muss, profitiert beispielsweise ein Technoclub in Schöneweide und ein Sportforum in Hohenschönhausen. In Brandenburg das Menschenrechtszentrum in Cottbus.
 
Dass den ostdeutschen Bundesländern eines Tages so viel Geld aus DDR-Vermögen zur Verfügung stehen würde, war nicht immer absehbar. Das Vermögen, dessen Geschichte hier erläutert wird, gehörte zu DDR-Zeiten zu großen Teilen der DDR-Staatspartei SED, teilweise aber auch anderen DDR-Organisationen, wie der Freien Deutschen Jugend. Deshalb heißt es auch Vermögen der Parteien und Massenorganisationen der DDR, kurz PMO-Vermögen.

Das unrechtmäßige Vermögen

Nach der Deutschen Wiedervereinigung wurde entschieden, dass das Parteivermögen der SED nicht an die Nachfolgepartei PDS übergehen durfte. Man ging davon aus, dass das Geld nicht auf rechtsstaatlichen Wegen erworben wurde. "Damit ist gemeint, dass das Geld nicht nach den Grundsätzen des Grundgesetzes der Bundesrepublik erwirtschaftet wurde", so erklärt es Franziska Kuschel, Historikerin bei der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Die Einheit von SED und Staat sei mit dem rechtsstaatlichen Verständnis einer parlamentarischen Demokratie nicht vereinbar, alle anderen Parteien und Organisationen waren von der SED abhängig.
 
Dazu komme noch eine sehr enge Verflechtung mit Firmen, die teils durch Enteignung und Zwangsverkäufen in den Besitz der SED gekommen waren. Auch die Mitgliedsbeiträge trugen ihr zufolge zu den Reichtümern der SED bei. "Zu Hochzeiten hatte die Partei 2,3 Millionen Mitglieder. Wer Karriere machen wollte, musste faktisch Mitglied der Partei werden", sagte sie. Auch das widerspreche rechtsstaatlichen Grundsätzen in der Bundesrepublik.

Konten mit Blumennamen

In Zeiten der Wiedervereinigung wussten die allermeisten Menschen nicht, wie reich die SED eigentlich war, offenbar noch nicht mal Menschen aus der Parteiführung selbst. Die SED-Funktionäre, die darüber Bescheid wussten, waren zunächst keineswegs gewillt, das Ausmaß des Vermögens der Bundesrepublik gegenüber transparent zu machen. Zu groß war die Angst vor dem eigenen Untergang im wiedervereinigten Deutschland. Zu gewohnt waren Teile der SED-Führung auch daran, ihre Geschäfte zu verschleiern.
 
Die SED hat laut Historikern zur Zeit der Wende etwa 6,2 Milliarden DDR-Mark (umgerechnet etwa 2,1 Milliarden Euro) besessen, plus Devisen und Zigtausend Immobilien. Man versuchte Geld und Immobilien nach der Wende zügig und einfallsreich zu verteilen. Sowohl im Innern der Partei, als auch im Ausland.
 
Einige Genossen bekamen plötzlich eine stattliche Rente ausgezahlt, andere Genossen bekamen scheinbar einfach so teils Millionen-Beträge ausbezahlt, die sie im Namen der Partei treuhänderisch verwalten sollten. Immobilien wurden verschenkt. Firmen gegründet. Geld auf Konten auf der ganzen Welt verschoben, teils mithilfe von Mittelsmännern und teils über mehrere Verschiebungen in unterschiedlichen Ländern oder Bargeldeinzahlungen. Die Konten hatten undurchsichtige Namen wie 655 Flora, 546 Fauna, 831 Sama oder Lilie.

Archivbild: Treptow-Köpenick: Partyvolk steht in einer Warteschlange vor dem Eingang von Techno-Club RSO in Schöneweide. (Quelle: imago images/dts)
Berliner Techno-Club bekommt Geld aus sichergestelltem DDR-Vermögen
mehr

Kommission auf Geldsuche

Historiker gehen davon aus, dass die SED- bzw. PDS-Führung nicht einvernehmlich handelte. So soll einer der größten Skandale am damaligen PDS-Parteichef Gregor Gysi vorbeimanövriert worden sein. Bei diesem sogenannten Putnik-Deal wurde versucht, Geld ins Ausland zu schaffen, was Ende 1990 aufflog.
 
Auch wenn das Ausmaß zunächst nicht bekannt war, fiel doch auf, dass Geld verschwand. Die Bundesregierung verlangte von allen Parteien, ihre Finanzen offenzulegen, die SED bzw. ihre Nachfolgerin PDS tat dies zunächst nicht. Später nur unzureichend. Und so wurde eine "Unabhängige Kommission zur Überprüfung des Vermögens der Parteien und Massenorganisationen der DDR" (UKPV) eingeführt, die damit betraut wurde, dem Vermögen der SED auf den Grund zu gehen und es möglichst einzutreiben.
 
Als deutlich wurde, dass die Kommission nicht nur einige Akten würde durchgehen müssen, sondern Ermittlungen durchführen musste, bekam sie staatsanwaltliche Befugnisse, die den Mitarbeitenden das Durchsuchen von Räumen und Beschlagnahmen von Material ohne weitere Genehmigung ermöglichte.

Wir haben eine Dunkelziffer an unentdecktem Vermögen, die wahrscheinlich bleibt.

Erfolgreiche Suche

Die UKPV machte eigenen Angaben zufolge mehr als 50-mal Gebrauch davon. Meist sei das kurz nach der Wende in Räumen der PDS vorgekommen. In späteren Jahren versuchte die Kommission vor allem noch, Gelder aus dem Ausland zurückzuführen, was wegen der unterschiedlichen Rechtslagen sehr mühsam gewesen sei, wie es im Abschlussbericht der Kommission 2006 heißt.

Archivbild: Die österreichische Vermögensverwalterin Rudolfine Steindling. (Quelle: dpa/APA)
Die Dealerin der DDR-Millionen
Bis heute haben Ermittler nicht jedes ihrer Geldverstecke ausgelotet - die Österreicherin Rudolfine Steindling hat der SED zu DDR-Zeiten zu Reichtum verholfen. Nach der Wende versteckte sie das Geld - oder versuchte es zumindest. Von Anna Bordelmehr

1994 griff die Kommission zu einem sehr ungewöhnlichen Mittel und stellte per Zeitungsinserat fünf Millionen Mark Belohnung in Aussicht, für Hinweise, die dazu führen, dass Vermögen entdeckt wird. Experten werteten das zum einen als ein Zeichen von Hilflosigkeit aber auch als Hinweis darauf, dass noch viel Geld als verloren galt. Zu Recht, wie sich später herausstellte: Am Ende eines Gerichtsverfahrens kam zu dem bereits sichergestellten Vermögen noch eine halbe Milliarde Euro dazu, dass sich auf die Reichtümer einer einzelnen SED-Parteifirma gründete, der Firma Novum.
 
Nach der Wende war versucht worden, das Vermögen der Firma Novum auf Konten in Österreich, der Schweiz und aller Welt zu verstecken. Das wurde gerichtlich verfolgt und ein großer Teil des Vermögens konnte letztlich in mehreren Teilschritten an die BvS überführt werden. Zuletzt wurde 2020 137 Millionen Euro von der Schweizer Bank Julius Bär an die BvS überwiesen.

Noch immer unentdeckte Schätze

In anderen Fällen scheiterten derartige Versuche. “Jedoch scheint es realistischerweise heute nicht mehr möglich, die Dinge auch nur annähernd gerichtsfest zu ermitteln”, heißt es im Abschlussbericht von 2006 der UVKP. "Wir haben eine Dunkelziffer an unentdecktem Vermögen, die wahrscheinlich bleibt", sagt auch Historikerin Kuschel.
 
Ein Grund dafür liege unter anderem auch darin, dass zumindest teilweise die Auslandsermittlungen erst Ende der 90 er Jahre begonnen hätten. Bis dahin seien viele Spuren verwischt worden und nicht mehr nachvollziehbar, so heißt es. Die BvS teilte mit, dass derzeit keine weitere Spur nach Vermögen verfolgt werde. Auf Konten zwischen der Schweiz und den Bahamas liegen möglicherweise noch immer Schätze der SED.