Mike Schubert, (SPD), abgewählter Oberbürgermeister von Potsdam, sitzt bei einem Statement zu seiner Abwahl im Regine-Hildebrandt-Haus der SPD-Potsdam. (Quelle: dpa/Christoph Soeder)

Brandenburg War’s das jetzt, SPD?

Stand: 26.05.2025 21:46 Uhr

Nach dem Rücktritt von Innenministerin Katrin Lange (SPD) ist die Abwahl Mike Schuberts das nächste Debakel für die SPD in Brandenburg. Verlieren die Sozialdemokraten ihren Status als "Brandenburg-Partei" - oder schaffen sie die Erneuerung? Von Michael Schon

An schlechten Nachrichten mangelt es in der Brandenburger SPD nicht. Wo anfangen? Zum Beispiel bei den Wahlergebnissen. Kommunalwahl 2024: Landesweit 16,6 Prozent. Platz drei hinter AfD und CDU. Bundestagswahl 2025: 14,8 Prozent. Platz drei hinter AfD und CDU. Landtagswahl 2024: Nur hauchdünn gewonnen, dank einer Alles-oder-nichts-Kampagne gegen die AfD und um den Preis einer Wackel-Koalition mit dem BSW.

Kaum ist die neue Koalition bei der Arbeit, kommt der erste Rücktritt. Es trifft: Die SPD. Und es geht dabei nicht um irgendwen, sondern um Katrin Lange. Die Vertraute von SPD-Landeschef Dietmar Woidke und dessen Wunschnachfolgerin als Ministerpräsidentin. Dass sie letztlich wegen des parteiinternen Streits um den Umgang mit der AfD gehen muss, lässt ahnen, dass die Gräben in der einst recht geschlossenen, selbst ernannten Brandenburg-Partei mittlerweile tief sind.
 
Jetzt ist auch noch Mike Schubert seinen Job los. Der einstige Hoffnungsträger unterliegt beim Bürgerentscheid und muss das Rathaus der Landeshauptstadt räumen. Die SPD verliert den prestigeträchtigen Posten obendrein auf die peinlichste Weise, durch Abwahl. Ein besonders schmerzhafter Schlag auch, weil der Oberbürgermeister in Potsdam seit 1990 immer ein Sozialdemokrat war. Bricht der SPD mit ihrer Hochburg Potsdam endgültig die kommunale Basis weg? Was kommt als nächstes?

Wo sind die Glückspillen?

Gut sieht das jedenfalls nicht aus und vielleicht fragt sich die eine oder der andere in der SPD, wer gerade den Schlüssel zum Schrank mit den Glückspillen hat. Mancher Genosse formuliert es etwas nüchterner: "Jetzt sind mal wieder Positivnachrichten angesagt."
 
Die sind gerade nicht in Sicht.
 
Zunächst gilt für den Posten des Oberbürgermeisters in Potsdam zwar das, was für alle Bürgermeisterposten im Land gilt: In Kommunen werden in erster Linie Personen gewählt, nicht Parteien. Das zeigt ein Blick auf die große Zahl von Bürgermeistern, die überhaupt keiner oder zumindest keiner größeren Partei angehören. In Potsdam wurde nicht die SPD abgewählt. Gehen muss der glücklose Mike Schubert, der aus Sicht vieler Potsdamerinnen und Potsdamer die Probleme der Stadt nicht lösen konnte und keine guten Antennen hatte, weder für Mitarbeiterführung noch für politischen Anstand.
 
Die Rückeroberung des für die SPD so prestigeträchtigen Rathaussessels in der Landeshauptstadt ist also nicht ausgeschlossen. Die Partei ist dabei eigentlich sogar in einer erstaunlich komfortablen Lage. Bei der Frage nach geeigneten Kandidaten fielen gleich zwei Namen: Daniel Keller, derzeit Minister für Wirtschaft, Arbeit und Energie. Und Manja Schüle, aktuell in ihrer zweiten Legislaturperiode Wissenschafts- und Kulturministerin. Beiden wird ein Quäntchen Karrierebewusstsein und handwerkliches Geschick im Politikbetrieb nachgesagt – zugleich auch ein unterschiedlicher Politikstil.

Archivbild:Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) am 02.04.2025.(Quelle:picture alliance/dpa/J.Kalaene)
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Der Strippenzieher und die Sympathieträgerin

Der 38-jährige Daniel Keller ist selbst Potsdamer, war von 2019 bis 2024 Stadtverordneter und dort auch drei Jahre lang Co-Vorsitzender der SPD-Stadtfraktion. In den Jahren 2019 und 2024 zog er als direkt gewählter Abgeordneter in die SPD-Landtagsfraktion, deren Vorsitz er sich in der vergangenen Legislaturperiode machtbewusst eroberte. In der Partei hat er einen Ruf als bestens vernetzter Strippenzieher.
 
Schüle gilt als Sympathieträgerin, der im Schatten von Kraftmeiereien ihrer Parteikollegen kleinere und größere Wunder gelingen. Die Streitschlichtung beim Potsdamer Synagogenbau beispielsweise; die Grünung der Medizinischen Universität Lausitz; die Einrichtung eines neuen Lehramts-Studiengangs in Senftenberg; ein gewisser Anteil an der Beilegung des Hohenzollern-Streits. Der gebürtigen (Oder-)Frankfurterin fehlt allerdings die Vernetzung in der Potsdamer Stadtpolitik. Vor allem aber hat sie Ambitionen auf eine Kandidatur in der Vergangenheit zurückgewiesen – und dies am Montag gegenüber rbb|24 bekräftigt.
 
Dabei erscheint das Amt des Potsdamer Oberbürgermeisters nicht völlig ohne Reiz: Um im Rennen um die Nachfolge von Dietmar Woidke als SPD-Landeschef und Spitzenkandidat bei der Landtagswahl herauszustechen, könnten einige Jahre als Rathauschefin oder -chef der Landeshauptstadt nicht schaden, wenn sie erfolgreich sind. Schon gar nicht, falls der neue und derzeit parteilose Innenminister René Wilke in die SPD eintreten und ins Rennen um Landesvorsitz und Landtags-Spitzenkandidatur einsteigen sollte. Erfahrung als Oberbürgermeister hat er schon.

Potsdamer Rathaus als Sprungbrett?

Dass das Potsdamer Rathaus ein Sprungbrett sein kann, hat vor 23 Jahren bekanntlich ein gewisser Matthias Platzeck bewiesen. Er war hier vier Jahre lang Oberbürgermeister, bevor er Ministerpräsident wurde. Auch er hatte einen abgewählten SPD-Mann beerbt, Horst Gramlich. Allerdings zog Platzeck bereits mit dem Ehrentitel "Deichgraf" ins Potsdamer Rathaus – einem nicht zu unterschätzenden politischen Kapital. Die Ausgangslage war also eine andere. Und selbstverständlich gibt es weder einen Automatismus für den Wechsel vom Potsdamer Oberbürgermeister-Sessel an die Spitze der Staatskanzlei, noch stehen die Ergebnisse der nächsten Wahlen fest, nicht in Potsdam und nicht im Land.
 
Dazu kommt: Wer am Kabinettstisch des Ministerpräsidenten sitzt, sitzt näher an der Macht. Wer ein Ministerium führt, kann landesweit Punkte sammeln – anders als ein Oberbürgermeister in der Landeshauptstadt, die weit weg ist von Wittenberge, Prenzlau oder Senftenberg.
 
Eine Kandidatur in Potsdam ist für einen amtierenden Minister also nicht ohne Risiko. Und ob ihm die SPD diesen möglichen Dienst an der Partei bei der Suche nach einem Woidke-Nachfolger danken würde, ist eine zusätzliche unbekannte Variable.

Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) (Quelle: rbb)
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Image als "Brandenburg-Partei" steht auf dem Spiel

Was heißt das alles für Brandenburgs SPD? Die schlechten Nachrichten sind Zeichen eines Umbruchs. Wohl spätestens bei der Landtagswahl 2029 steht ein Generationswechsel an. Womöglich früher. Der Zeitpunkt für eine personelle Neuaufstellung könnte zwar ungünstiger sein. Aber spannend ist, ob die Partei eine überzeugende Kandidatin oder einen überzeugenden Kandidaten für die Potsdamer Oberbürgermeister-Wahl im Herbst präsentieren kann. Mit dem neuen Innenminister René Wilke hat Parteichef Woidke verblüfft. Ob ihm so ein Kunststück noch einmal gelingt? Keller überzeugen, einen neuen Wirtschaftsminister finden – oder einen Überraschungskandidaten präsentieren?
 
Es steht einiges auf dem Spiel: Bisher galt Potsdam als letzte rote Hochburg. Bei der Landtagswahl fielen beiden Potsdamer Wahlkreise an die SPD und bei der Bundestagswahl holte Olaf Scholz hier das einzige Direktmandat für die SPD in Brandenburg. Hier gibt es noch etwas zu gewinnen für die Partei. Sollte die SPD den Kampf ums Rathaus verlieren oder ohne eigenen Kandidaten ins Rennen gehen, war’s das wohl mit dem Image als Brandenburg-Partei.

Sendung: Brandenburg Aktuell, 26.05.2025, 19:30 Uhr