Archivbild: Die österreichische Vermögensverwalterin Rudolfine Steindling. (Quelle: dpa/APA)

Brandenburg Berlin Wie die Geschäftsfrau Rudolfine Steindling für die SED Vermögen anhäufte und versteckte

Stand: 18.05.2025 08:03 Uhr

Bis heute haben Ermittler nicht jedes ihrer Geldverstecke ausgelotet - die Österreicherin Rudolfine Steindling hat der SED zu DDR-Zeiten zu Reichtum verholfen. Nach der Wende versteckte sie das Geld - oder versuchte es zumindest. Von Anna Bordel

Chanel-Kommunistin, Business-Lady der Wiener Upper Class, moderne Bankräuberin mit ergrautem Haar und Perlenkette, sehr tough, sehr robust, sehr charmant – die Umschreibungen aus Zeitungen und historischen Aufsätzen für die österreichische Geschäftsfrau Rudolfine Steindling geben einen Vorgeschmack auf die Geschichte, für die sie steht.
 
Die mittlerweile verstorbene Finanzrätin hat erstens in erheblichem Maße Reichtümer für die SED angehäuft. Zweitens hat sie nach der Wende aufs Raffinierteste versucht, diese zu versenken – das teils mit Erfolg. Und drittens hat sie mit diesem Versuch 20 Jahre lang die deutsche Bundesregierung, die Justiz mehrerer Länder und zahlreiche Banken beschäftigt.

Nach der DDR-Grenzöffnung am 09.11.1989 kommen Hunderttausende aus dem Osten nach Wetsberlin.
Warum die neuen Bundesländer noch heute Millionen aus DDR-Zeiten bekommen
Die DDR-Staatspartei SED war zu Zeiten der Wende ungeahnt reich. Trotz zahlreicher Verschleierungsmanöver liegt heute viel von dem Geld in öffentlicher Hand. Alle paar Jahre können die neuen Bundesländer damit Projekte finanzieren. Von Anna Bordelmehr

Ihre Karriere, die so fulminant einflussreich für die DDR werden sollte, begann bescheiden in Wien. Steindling war nach dem Zweiten Weltkrieg als Sekretärin bei der Central Wechsel- und Creditbank in Wien angestellt und beschäftigte sich dort mit Ost-West-Handel. Bleiben sollte es dabei aber nicht. Sie arbeitete sich zur Abteilungsleiterin hoch und heiratete den Bankdirektor Adolf Steindling.
 
Aufgrund der Eheschließung konnte sie allerdings nicht länger bei der Bank angestellt bleiben, deren Direktor nun ihr Mann war. Sie wechselte in den Finanzbereich der Kommunistischen Partei Österreichs.

Archivbild: Immobilien im Wert zehn Milliarden D-Mark – DDR-Außenhandelsunternehmen Novum in der Berliner Wönnichstraße. (Quelle: rbb/Abendschau)

nowum-schww

DDR handelte über Firmen mit dem Westen

1978 übernahm sie die Finanzgeschäfte der Ostberliner-Firma Novum. Novum war eine der Firmen, die nach außen zwar unscheinbar wirkten, durch Rudolfine Steindling aber von unschätzbarem Wert für die DDR wurden, wie es in dem Buch "Schwierige Dreierbeziehungen" von Jochen Staadt geschrieben steht. Und zwar brauchte die DDR-Führung Novum für einen Wirtschaftszweig, der im Verborgenen stattfand, aber ein immenses Ausmaß erreichte: den Handel mit dem Westen.
 
Die DDR hatte einen nicht geringen Bedarf an Gütern aus dem Westen, den man aber nicht aus der Bundesregierung decken wollte, um nicht von ihr abhängig zu sein. Novum diente neben anderen Firmen auch als Vermittlerin zu zahlreichen Unternehmen im Ausland. Die Firma war treuhänderisch an die SED gebunden, wurde aber österreichisch geführt.
 
Österreich war in der Nachkriegszeit deshalb attraktiv für die DDR, da Österreich ein neutraler Staat gewesen ist. Rudolfine Steindling oder die "rote Fini", wie sie auch genannt wurde, hatte zahlreiche gute Verbindungen in die Führungselite der KPÖ, die wiederum in den kapitalistischen Westen.

Firmenkapital verschwunden

Bis zu 60 Prozent des DDR-Handels mit Österreich liefen Experten zufolge über Novum. So hat beispielsweise Novum nicht unerheblichen Anteil hat dem erbauten Stahlwerk in Eisenhüttenstadt, das wegen der von Österreichern geführten Firma nicht an die DDR-Regularien gebunden war. So musste das Stahlwerk beispielsweise keine Einfuhrzölle für Waren aus dem Westen zahlen, was von Novums Geschäftsführerin persönlich sichergestellt wurde.
 
Nach der Wende und mit dem Ende der DDR wurden Firmen wie Novum bedeutungslos. Wie das restliche Vermögen der SED sollte das Firmenkapital treuhänderisch an die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) gehen, die es letztlich zu gemeinnützigen Zwecken an die neuen Bundesländer verteilen sollte.
 
Das Problem im Fall Novum war nur: Das Firmenkapital, von dem man annahm, es sei da, war verschwunden. Irgendjemand musste es weggeschafft haben. Irgendjemand mit nützlichen Kontakten in die Finanzwelt und einem höchst kreativen Verständnis von Geldtransfers. Da der Fall Novum nur einer von zahlreichen war, in denen früh der Verdacht aufkam, die SED verstecke ihr Vermögen vor der Bundesrepublik, wurde eine Kommission damit beauftragt, das Geld zu finden.

Archivbild: Treptow-Köpenick: Partyvolk steht in einer Warteschlange vor dem Eingang von Techno-Club RSO in Schöneweide. (Quelle: imago images/dts)
Berliner Techno-Club bekommt Geld aus sichergestelltem DDR-Vermögen
mehr

Überweisungen an Konten in aller Welt

Rudolfine Steindling hatte bereits in den 80ern Konten für die Firma Novum bei Schweizer und Österreichischen Banken eröffnet und mit den Millionen des Unternehmens gefüllt. Nach der Wende, 1991 und 1992, wurden diese Konten dann urplötzlich geleert.
 
Steindling überwies von diesen Konten Geldbeträge in unterschiedlichen Währungen an etwa 60 verschiedene Konten in Hongkong, Israel, den USA und der Schweiz. Für diese Transaktionen gab es laut der Kommission keinen erkennbaren wirtschaftlichen Hintergrund. Zudem ließ sich Steindling von einem weiteren Konto der Firma Novum in Wien 127,45 Millionen Euro in bar auszahlen.
 
Die Kommission der Bundesregierung suchte mehr als 15 Jahre lang, verhandelte in mehreren Prozessen vor Gerichten, unterlag dort und bekam dann wieder Recht. Letztlich konnte zumindest ein Teil des Geldes der Firma aufgetrieben werden, wenn auch nicht alle Geheimnisse gelüftet wurden, wohin es verschwand.

Ich habe meine Arbeit immer gerne gemacht und das ist eigentlich alles, was ich dazu zu sagen habe.

Eine halbe Milliarde für die Bundesrepublik

In drei Prozessen, die durch mehrere Instanzen gingen, fielen die Urteile letztendlich zugunsten der Bundesregierung aus und sorgten dafür, dass eine halbe Milliarde Euro aus Novum Vermögen an die BvS zur treuhändischen Verwaltung gegangen sind. Der letzte Teil wurde erst 2020 von einer Schweizer Bank gezahlt.
 
Damals entschied das Obergericht des Kantons Zürich, dass die Bank Julius Bär 137,01 Millionen Euro zurückzahlen muss. Die Bank hatte dem Gericht zufolge unzulässige Auszahlungen und Überweisungen von Novum-Konten vorgenommen. 2013 musste bereits aus denselben Gründen die Privatbank Zürich AG 252,86 Millionen Euro an die BvS zahlen. Rudolfine Steindling verlor 2009 einen Prozess gegen die Bundesregierung und wurde zu einer Zahlung von 106,22 Millionen Euro verpflichtet.

Das Ende ihres Lebens verbrachte Steindling Medienberichten zufolge in Tel Aviv und war dort demnach als Mäzenin bekannt. Nie konnten alle Wirrungen enthüllt werden, die sie mit dem Novum-Kapital anstellte. Von ihr ist nur wenig Videomaterial erhalten. Auf einem Schnipsel sitzt sie auf einem Sofa, offenbar angesprochen auf die kriminellen Geldverschiebungen sagt sie schlicht und mit österreichischen Akzent: "Ich habe meine Arbeit immer gerne gemacht und das ist eigentlich alles, was ich dazu zu sagen habe".