Hessen Schlüchterner schwimmt Depressionen davon - bis nach Dänemark
Mit Schwimmen hält er seine Dämonen in Schach: Matthias Alt aus Schlüchtern hat vor Jahren das Langstreckenschwimmen für sich entdeckt. Nun will er es auf diese Art sogar bis nach Dänemark schaffen. Seine Botschaft: "Mit großen Zielen kann man Depressionen überwinden."
"Es ist wie eine Droge, es macht süchtig", beschreibt Matthias "Matjes" Alt seinen Hang zum Extremen. Der 53-Jährige aus Schlüchtern (Main-Kinzig) hat mit knapp 50 Jahren mit dem Leistungsschwimmen begonnen.
"Hier hat vor vier Jahren alles angefangen", erzählt der kräftig gebaute Mann mit langem, grauem Kopfhaar am Badesee in Mainhausen-Mainflingen (Offenbach). "Ich habe hier eine Runde gedreht und dachte mir: Ah, langweilig. Man könnte doch mal nebenan in den Main steigen." Gedacht, getan. Alt schwamm an diesem Tag bis zur nahegelegenen NATO-Rampe, neun Kilometer, wie er sagt.
Schon bald der erste 24-Stunden-Marathon
Der Ehrgeiz war geweckt, eine neue Passion geboren. Anderthalb Jahre später nahm Alt an seinem ersten 24-Stunden-Schwimmmarathon teil. In Aschersleben (Sachsen-Anhalt) schwimmt er 11,3 Kilometer am Stück, bricht dann aber nach einigen Stunden ab. "Das hab ich mir ein bisschen einfacher vorgestellt", erzählt er lachend.
Dass er abbrechen musste, habe ihn umso mehr angespornt. Er versucht es nochmal, schafft die 24 Stunden, schwimmt knapp doppelt so viel Strecke und belegt den vierten Platz. Sieben weitere 24-Stunden-Marathons folgen unter anderem in Halle (Westfalen), Aschaffenburg oder Sersterdt (Niedersachsen), wo er in seiner Altersklasse mit geschwommenen 27,2 Kilometern den ersten Platz belegt.
Komplexe posttraumatische Belastungsstörung ist Motor
Alts Antrieb beim Schwimmen: Runterkommen, Pause machen, Kopf abschalten. Das Langstreckenschwimmen verschaffe ihm Ruhe, wo sonst ein emotionaler Wirbelsturm in ihm tobe. "Ich leide unter einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung mit Phasen von schweren Depressionen und auch Borderline-Symptomen." Für seine Erkrankung gebe es keine adäquate ärztliche Therapieform. Das Schwimmen therapiere ihn, lasse ihn für Wochen ausgeglichener durchs Leben gehen.
Das bestätigt auch seine Ehefrau Anja. "Er ist insgesamt fitter und dadurch auch fröhlicher geworden." Besonders direkt nach dem Schwimmen lache ihr Mann und sei sehr fröhlich. "Und das war eben etwas, das ich bei ihm vermisst habe."
Vorbereitung auf die nächste große Herausforderung
Coach Thomas Laibold unterstützt Alt. "Ich habe ihn als guten, aber untrainierten Schwimmer kennengelernt", erinnert sich Laibold. "Das hat sich in den letzten Jahren schnell geändert, sein Stil wurde immer besser."
Laibold unterstützt Matjes bei der Vorbereitung für seine nächste große Herausforderung: Den deutsch-dänischen Belt. Alt möchte diese Meeresenge in der Ostsee queren. Das geht von der deutschen Ostseeinsel Fehmarn zur dänischen Grenze, oder umgekehrt – je nach Wind- und Strömungsverhältnissen.
Den deutsch-dänischen Belt durchschwimmen nur wenige Menschen
Nur rund 70 Menschen sollen die Beltquerung bislang offiziell geschafft haben. "Am meisten werden Strömung und Wetter einen starken Einfluss nehmen", sagt Trainer Laibold. Schwimmer Alt räumt ein: "So langsam geht mir der Arsch auf Grundeis."
Ende Juni, Anfang Juli soll es so weit sein. Begleitet wird Alt von einem kleinen Boot, auf dem Schwimmfreunde, Coaches, jemand Offizielles zur Dokumentation und Ehefrau Anja mitfahren werden. "Natürlich habe ich Sorge, dass ihm was passiert. Wir waren an Ostern aber auf Fehmarn bei den Leuten, die das Boot fahren, und das hat mich schon sehr beruhigt", sagt sie.
Aktion soll Menschen mit Depressionen inspirieren
Knapp über 17 Grad soll die Wassertemperatur betragen. Alt darf keinen Neopren-Anzug tragen, nur Badehose, Badekappe und Schwimmbrille. 20 Kilometer Luftlinie beträgt die Distanz, durch Strömung und Wellen kann sie auf etwa 25 bis 30 Kilometer anwachsen. In 14 bis 16 Stunden will Alt nach eigener Aussage die Querung schaffen, zwölf Stunden wären ideal. "Die Kondition muss eben auch da sein. Und da bin mich mir sicher, dass Matjes es schaffen kann", ist der Trainer überzeugt.
Aktuell sammelt Alt noch Spenden im Internet, um die Mitfahrt des Bootes und seine Ausrüstung zu bezahlen. Er möchte mit seiner Aktion zeigen, dass man Depressionen überwinden kann, "wenn man sich große Ziele im Leben setzt."