
Niedersachsen Dreck, Enge, Gewalt? Schwere Vorwürfe gegen "Tierwohl"-Ställe
Haltungsform-Kennzeichnungen und Tierwohl-Label sollen Auskunft über eine artgerechte Haltung etwa in Schweineställen geben. Doch laut Tierschutz-Aktivisten sieht die Realität auch in Niedersachsen teilweise anders aus.
Die Tierschutz-Aktivisten von "Animal Rights Watch" (ARIWA) haben nach eigenen Angaben verdeckt Bild- und Videomaterial aus 21 zufällig ausgewählten Schweinemast- und Zuchtbetrieben gesammelt, die das belegen sollen. Darunter sollen acht Betriebe aus Niedersachsen sein, unter anderem aus dem Landkreis Oldenburg - gegen vier von ihnen sei Anzeige erstattet worden. Zuerst hatte der "Spiegel" berichtet. Wie die Aktivisten an die Aufnahmen gelangt sind, ist unklar. Die Betriebe werben laut ARIWA besonders mit Tierwohl, haben etwa ein "Haltungsform"-Label der Stufe 3 oder 4 oder ein vergleichbares Tierwohl-Label.
Tierschützer: Zwölf Ställe verstoßen gegen Tierschutzgesetz
Das "Haltungsform"-Label ist eine freiwillige Kennzeichnung, die fünf Stufen unterscheidet. Stufe 3 und 4 stehen dabei für eine Haltung im Frischluftstall beziehungsweise im Auslauf oder auf einer Weide. Die Aufnahmen, die ARIWA veröffentlicht hat, zeigen andere Bilder: Schweine, die knöchelhoch in Fäkalien stehen, Sauen, eingepfercht in körpergroßen Ställen, kranke Tiere, die unbehandelt am Boden liegen, tote Ferkel und Gewalt von Mitarbeitern. In zwölf der 21 Ställe sei gegen das Tierschutzgesetz verstoßen worden, heißt es von ARIWA. Selbst das gesetzliche Minimum von Haltungsstufe 1 hätten diese Betriebe nicht erfüllt. Man habe daher Anzeige erstattet. ARIWA spricht von einer "Tierwohl-Label-Industrie": Staatliche Fördergelder in Milliardenhöhe würden verbraucht und die Öffentlichkeit getäuscht, "die massives Tierleid und ein gescheitertes System mit Steuermitteln am Leben erhält."
Landvolk spricht von strengen Kontrollen
Niedersachsens Landvolk-Präsident Holger Hennies mahnt im Hinblick auf die Aufnahmen zur Vorsicht. Man müsse genau prüfen, wie die Bilder entstanden seien und ob sie die Wirklichkeit zeigten. "Grundsätzlich ist meine persönliche Erfahrung, dass gerade die Prüfung in den höheren Haltungsformen sehr, sehr hart ist", so Hennies gegenüber NDR Niedersachsen. "Also dass da auch scharf kontrolliert wird, dass die spontan kommen, dass die Ställe dann angesehen werden, und dass es auch ein hoher finanzieller Druck ist." Denn in den Tierschutzprogrammen gebe es für Verstöße Sanktionsmechanismen, die Landwirte viel Geld kosteten. Einzelfälle könne es natürlich immer geben und diese müsse man prüfen, sagt Hennies.
Landwirtschaftsministerium ordnet Kontrolle an
Das niedersächsische Landwirtschaftsministerium wertet nach eigenen Angaben derzeit veröffentlichte Aufnahmen aus. Dabei gab es einen ersten Treffer: Im bisher gesichteten Material sei ein Stall namentlich genannt worden. Der zuständige Landkreis ist demnach "umgehend informiert und eine Vor-Ort-Kontrolle angeordnet" worden. Zunächst hieß es, dass es in letzter Zeit in Niedersachsen keine Hinweise auf tierschutzrechtliche Verstöße gegeben habe. Eine Ministeriumssprecherin gab an, bei den Landkreisen nachfragen zu wollen.
Manipulationsvorwürfe gegen Tierschützer
In dem Bericht des "Spiegel" erheben einige der betroffenen Betriebe ihrerseits Vorwürfe gegen die Aktivisten: So sei etwa in der Nacht gefilmt worden, bevor das Ausmisten stattgefunden habe, oder nur in Bereichen, die "für Negativschlagzeilen taugen". Zwei Landwirte werfen den Aktivisten sogar vor, nachgeholfen zu haben oder gar Tiere vergiftet zu haben. Gegenüber dem "Spiegel" weist ARIWA die Vorwürfe zurück.
Dieses Thema im Programm:
NDR 1 Niedersachsen | Aktuell | 23.05.2025 | 12:00 Uhr