Neugeborenes kurz nach Geburt im Kreißsaal auf dem Bauch der  Mutter - viele Kreißsäle in RLP bereits geschlossen.

Rheinland-Pfalz Immer weniger Kreißsäle in RLP - drohen weitere Schließungen?

Stand: 02.06.2025 15:47 Uhr

Über Jahre hinweg sind in Rheinland-Pfalz reihenweise Geburtsstationen geschlossen worden. Schwangere haben keine große Wahl mehr und der Weg zum Kreißsaal ist oft weit. Nun warnt der Hebammenlandesverband vor weiteren Komplikationen.

Von Andrea Lohmann

Immer weniger Kreißsäle - wo kann ich mein Kind bekommen?

Seit 2009 hat es ein regelrechtes Sterben von Geburtsstationen gegeben. Gab es 2009 noch 52 Kreißsäle über das ganze Land verteilt, so sind es im Mai 2025 nur noch 27.

Auf der interaktiven Karte finden Sie alle vorhandenen Geburtsstationen in Kliniken und Geburtshäuser in Ihrer Nähe:

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Zuletzt haben 2024 nach Angaben des Hebammenlandesverbandes Rheinland-Pfalz die Stationen in Hachenburg und Marienwörth in Bad Kreuznach geschlossen. Während die Schließung in Bad Kreuznach dadurch abgefedert wurde, dass die zweite vor Ort vorhandene Geburtsstation der Diakonie ausgebaut wurde, ist die Lage im Westerwald weniger rosig.

"Hachenburg war zwar offiziell keine Schließung, da der Standort mit dem in Kirchen zusammengehörte. Aber es fällt de facto ein Anlaufpunkt für schwangere Frauen weg. Das hat die Versorgungssituation im Westerwaldkreis total verschlechtert", sagt Juliane Müller, Erste Vorsitzende des Hebammenlandesverbandes Rheinland-Pfalz.

Wo gibt es in Rheinland-Pfalz besonders wenig Geburtsstationen?

Ein Blick auf die interaktive Karte zeigt: Die Versorgung ist insbesondere in den ländlichen Gebieten - von denen es im Flächenland Rheinland-Pfalz viele gibt - kritisch. Juliane Müller bezeichnet die Lage im Westerwald bereits jetzt als prekär. Auch Eifel und Westpfalz seien Landstriche, die keine gute Ausstattung mit Geburtsstationen haben.

Geburtshaus als Alternative zum Kreißsaal

Neben den 27 Kreißsälen in Kliniken gibt es drei Geburtshäuser, in denen Frauen ihre Kinder zur Welt bringen können. Diese sind in Koblenz, Diez und Bad Sobernheim. In Planung sei, so Müller, ein weiteres Geburtshaus in Trier. Über eine Einrichtung dieser Art werde auch für Mainz nachgedacht. "Man muss allerdings dazu sagen: Die außerklinische Geburtenrate liegt in Rheinland-Pfalz bei etwa drei Prozent", erklärt Müller.

Entwicklung der Geburtenrate in Rheinland-Pfalz

Die Zahl der Geburten hat sich seit 2009 ebenfalls verändert. In den letzten Jahren ist sie etwas gesunken, zuvor war sie allerdings deutlich nach oben gegangen. Unterm Strich heißt das: Verglichen mit 2009 kommen heute mehr Kinder zur Welt, die Zahl der Entbindungsstationen wurde in demselben Zeitraum aber deutlich reduziert.

Kreißsaal geschlossen - Anfahrtswege werden länger

Dass die nächste Geburtshilfe-Abteilung nicht in unmittelbarer Nähe liegt, ist nach offizieller Lesart kein Problem. Um in eine Geburtsklinik zu gelangen, sind demnach für Eltern bis zu 40 Minuten Pkw-Fahrtzeit zumutbar. Das hat der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) von Gesetzlichen Krankenkassen, Krankenhaus- und Ärztevertreterinnen und -vertretern festgelegt.

Müller vom Hebammenverband sagt aber: "Für diese 40 Minuten gibt es überhaupt keine Evidenz, schaut man in die Fachliteratur, findet man eher 30 Minuten als die noch akzeptable Erreichbarkeitsgrenze." Die Hebammen-Vertreterin stellt klar: "Lange Fahrten gefährden das Leben von Kind und Mutter." Geburten seien nicht planbar, sondern im Prinzip eine Notfallversorgung. "Das ist etwas anderes als eine geplante Hüftoperation."

Fahrtzeit zum Kreißsaal - ein Test auf Google Maps

Befragt man testweise Google Maps zeigt sich: Selbst die als zumutbar geltenden 40 Minuten sind zum Teil nicht zu schaffen. Ein Beispiel: Im Norden von Rheinland-Pfalz wurde die Geburtsstation in Hachenburg geschlossen.

Zur Auswahl stehen für eine Entbindung in der Region jetzt noch Einrichtungen in Dernbach oder Kirchen. Von der Gemeinde Kircheib aus berechnet der Routenplaner 45 Minuten Fahrtzeit nach Dernbach - und 50 Minuten Fahrtzeit nach Kirchen. Möglich wäre auch noch eine Klinik außerhalb von Rheinland-Pfalz in Troisdorf, hier liegt die Fahrtzeit bei immerhin nur 29 Minuten.

Das sind Berechnungen für einen Tag mit optimaler Verkehrslage. Kein Regen, kein Schnee, keine Baustelle - und keine schwangere Frau mit geplatzter Fruchtblase oder Wehen auf dem Rücksitz.

Neue Gebührenordnung - 5 weitere Geburtsstationen in RLP bedroht

Der Hebammenverband RLP befürchtet, dass es zu einer weiteren Ausdünnung von Geburtskliniken kommen könnte. Das hängt mit dem sogenannten Hebammenhilfevertrag zusammen, der im Rahmen eines Schiedsverfahrens im April beschlossen wurde. Darin geregelt: neue Vergütungsregeln für Beleghebammen. Das sind unter anderem Hebammen, die nicht beim Krankenhaus angestellt sind, sondern freiberuflich in den Krankenhäusern arbeiten. Nach Berechnungen der Hebammenverbände wird sich ihre Vergütung in Zukunft deutlich verschlechtern.

5 der 27 Geburtsstationen in Rheinland-Pfalz sind als Beleghebammen-System organisiert: Das sind die Kreißsäle in Wittlich, Dernbach, Pirmasens, Landau und Speyer. Müller sagt: "Es ist zu befürchten, dass Beleghebammen aus dem Beruf aussteigen."

Mit der möglichen Folge, dass diese Kreißsäle schließen müssten. Dann blieben von 27 Kreißsälen nur noch 22 übrig. Besonders fatal: Diese fünf Kreißsäle sind nach Aussage von Müller die letzten in der jeweiligen Region. "Dort dürfen auf gar keinen Fall weitere Kreißsäle schließen", sagt Müller.

Das rheinland-pfälzische Gesundheitsministerium bezeichnet die neue Gebührenordnung auf SWR-Anfrage als "ernstzunehmende Herausforderung im System der Selbstverwaltung". Das Ministerium habe jedoch nur eine begrenzte Einflussmöglichkeit, da die Verhandlungen zwischen GKV-Spitzenverband und den Hebammenverbänden geführt würden. Man stehe aber diesbezüglich im Austausch mit den relevanten Akteuren.

Der Dachverband der Hebammen, der Deutsche Hebammenverband, fordert eine Korrektur des Vertrages und erwägt juristische Schritte. Der Verband wurde in dem Schiedsverfahren von den übrigen teilnehmenden Parteien überstimmt.

Hebammmenzentrale in Hachenburg startet
Eine neue Hebammenzentrale in Hachenburg geht am 1. Juni an den Start. Die Hebammenzentrale ist Teil der ambulanten Versorgung vor und nach (Wochenbett) der Schwangerschaft. Hebammenzentralen sind keine Entbindungsstationen wie etwa Geburtshäuser. In der Hebammenzentrale Hachenburg sind Hebammen aus den Kreisen und Altenkrichen und Westerwald gemeinschaftlich organisiert. Das soll für werdende Mütter die Suche nach einer Hebamme erleichtern - sie müssen künftig nicht viele Hebammen abtelefonieren, sondern können das zentral über die neue Einrichtung erledigen. Durch die gemeinschaftliche Organisation sei auch die Abdeckung der Schwangeren-Betreuung während der Urlaubszeiten von Hebammen sichergestellt, nennt Juliane Müller, Vorsitzende des Hebammenlandesverbandes RLP, einen weiteren Vorteil der Zentrale.

Gefährdet die Krankenhausreform von Lauterbach die Geburtshilfe?

Das Ziel der Krankenhausreform des früheren Gesundheitsministers Karl Lauterbach (SPD) ist es, Aufgaben in Kliniken zu bündeln - nicht jede Klinik soll künftig noch alle Aufgaben anbieten. Es geht dabei auch darum, unrentable Häuser zu schließen.

Juliane Müller äußert Bedenken, dass von dieser Seite aus ebenfalls Ungemach drohen könnte: "Ich befürchte, dass es weitere Schließungen geben wird." Müller sagt: Mit Geburtshilfe verdiene man nichts, es gebe zu viele Fehlanreize in diesem Bereich und die Kreißsäle würden oft als Kollateralschaden bei Klinikschließungen wegfallen. Sie glaubt: Daran werde auch die Krankenhausreform nichts ändern.

Das Haus von Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD) betont auf SWR-Anfrage, dass die Landesregierung dem Erhalt aller 27 Geburtshilfen in Rheinland-Pfalz große Bedeutung beimesse. Um die Geburtshilfeabteilungen in Krankenhäusern zu unterstützen, würden in diesem Jahr knapp 5,8 Millionen Euro Bundesgelder standortindividuell verteilt. Klarer Fokus sei dabei, die kleinen Geburtskliniken im ländlichen Raum besonders zu fördern.

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