Dorit Stenke (CDU), Ministerin für Allgemeine und Berufliche Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur in Schleswig-Holstein, spricht im Plenarsaal.

Schleswig-Holstein Lehrermangel und Gewalt an Schulen: Dorit Stenke hat viel zu tun

Stand: 23.05.2025 16:22 Uhr

Ganztagsunterricht, Lehrermangel, Unterrichtsausfall und Gewalt an Schulen - das sind im Landtag die dringenden Themen in Schleswig-Holstein. Wie soll die Bildungslandschaft unter der neuen Ministerin Dorit Stenke aussehen?

Von Anne Passow

Die neue Bildungsministerin Dorit Stenke (CDU) will den Weg ihrer Vorgängerin Karin Prien (CDU) weitergehen. "Es ist nicht der Neustart der hilft, sondern es ist die kluge Weiterentwicklung", sagte sie am Freitag (23.5.) im Landtag. "Kontinuität ist kein Rückschritt, sondern die Grundlage für echten Fortschritt."

Habersaat: Stenke soll "Zauber des Neuanfangs" nutzen

In der Debatte vor Stenkes Redebeitrag war klargeworden: Die Wunschliste an die neue Bildungsminsterin ist lang. Die neue Ministerin möge den "Zauber des Neuanfangs zu nutzen, um in der schleswig-holsteinischen Bildungspolitik die Dinge künftig anders zu machen", sagte der erste Redner, Martin Habersaat (SPD). Dann zählte er einige Probleme auf: der Unterrichtsausfall sei gestiegen, es gebe zu viele Lehrer ohne abgeschlossene Ausbildung, weniger Schulstunden. Auf die Ganztagsschule sei man nicht vorbereitet und die Zahl der Gewalttaten an Schulen sei gestiegen.

CDU: Viel mit Prien erreicht

Auch Anne Riecke (FDP) betonte: "Es braucht mehr Tempo, mehr Klarheit und vor allem mehr Mut, endlich die strukturellen Probleme im Bildungsbereich anzugehen, die sich seit Jahren aufgestaut haben." Martin Balasus (CDU) verteidigte die Bildungspolitik unter Karin Prien (CDU). Man habe viel erreicht. "G9 wurde wieder eingeführt, die Unterrichtsversorgung konnte gesteigert und auf einem ordentlichen Niveau stabilisiert werden, innovative Pakete zur Lehrkräftegewinnung wurden geschnürt."

Um folgende Themenfelder ging es unter anderem in der Debatte am Freitag:

Anspruch auf Ganztagsunterricht ab 2026

Ab August 2026 haben alle Kinder an Grundschulen einen Anspruch auf ganztägige Bildung und Betreuung. Malte Krüger (Grüne) und Martin Balasus (CDU) zeigen sich zuversichtlich, dass, wie Balasus betont, die "Umsetzung des Ganztagsanspruchs" für alle Grundschüler gelingen werde.

Aus den Oppositionsparteien gibt es - erwartbar - kritische Stimmen. "Der Ganztag darf keinesfalls eine Art bessere Verwahrstelle werden, bei dem am Nachmittag einfach die Stühle zur Seite geschoben werden und der Klassenraum zum Betreuungsraum wird", mahnt Anne Riecke (FDP).

Trotz des Rechtsanspruches auf Ganztag werde nur ein Bruchteil des Ausbaus gefördert, kritisiert Martin Habersaat (SPD). Viele Kommunen, die dafür Förderanträge stellten, drohten leer auszugehen. "Unsere Schulträger stehen unter enormen Handlungsdruck und fühlen sich von der Regierung im Stich gelassen", betont auch Jette Waldinger-Thiering (SSW). Ihre Partei fordere mehr finanzielle Beteiligung des Bundes und eine hohe Pro-Kopf Förderung durch das Land.

Qualität im Lehramt und Lehrermangel

"Die Zahl der Lehrkräfte ohne abgeschlossene Ausbildung steigt, inzwischen sind 12 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer an unseren Schulen gar keine ausgebildeten Lehrkräfte, an den Grundschulen 17,3 Prozent", sagt Martin Habersaat (SPD). Mit vielen Vertretungslehrern werde gleichzeitig schlecht umgegangen.

"Niemand von uns findet es gut, dass 17 Prozent der Grundschullehrkräfte kein Lehramtsexamen haben. Aber ohne sie könnten wir die Schulen dichtmachen", betont Malte Krüger (Grüne). Seine Partei setze sich dafür ein, dass bewährte Vertretungskräfte Entfristungsperspektiven bekommen. Die Forderung nach mehr qualifizierten Lehrkräften und weniger Ausfall teile auch er, betont Martin Balasus (CDU). Man habe hier aber schon viel auf den Weg gebracht, zum Beispiel die Allianz für Lehrkräftebildung. Es brauche aber Zeit, bis diese wirke.

Gewalt und Mobbing an Schulen: Problem wächst

Martin Habersaat (SPD) zitiert Zahlen der jüngsten Pisa-Studie, laut der unter anderem Mobbing deutschlandweit ein immer größeres Problem wird. Von einer "alarmierenbden Entwicklung" spricht Martin Balasus (CDU). Anne Rieke von der FDP sieht die gestiegenen Zahlen als besorgniserregend, dabei bildeten sie nicht mal die Realität ab. Sie kritisiert die Datenbank GEMON, mit der Gewaltvorfällen an Schulen in Schleswig-Holstein erfasst werden. Nur wenige, der tatsächlichen Gewaltvorfälle, würden hier gemeldet.

"Die große Mehrheit finden in dieser Statistik gar nicht statt: Körperliche Angriffe, sexuelle Übergriffe, Mobbing, Drohungen, gezielte Ausgrenzung, Beleidigungen - das alles bleibt unterhalb der Erfassungsschwelle." Die FDP fordert, dass jeder Gewaltvorfall dokumentiert werden kann, unabhängig davon, ob er in eine disziplinarische Maßnahme mündet oder nicht. Eine Forderung der Jette Waldinger-Thiering (SSW) viel abgewinnen kann. "Denn wir benötigen eine valide Faktengrundlage zu den Gewaltvorfällen." Malte Krüger (Grüne) dagegen kann es "nicht nachvollziehen, wieso mehr Datenerhebung im GENOM- Programm sinnvoll sein soll."

Unterrichtsausfall in SH steigt

"Der Unterrichtsausfall steigt. Der Anteil nicht planmäßig gegebener Stunden lag an den allgemeinbildenden Schulen im vergangenen Schuljahr bei nahezu 12 Prozent", sagt Martin Habersaat (SPD). Anne Riecke (FDP) sprach in diesem Zusammenhang von einem strukturellen Problem. Diese Zahlen klängen zwar dramatisch, man müsse aber differenzieren, meint Malte Krüger (Grüne). "Komplett ausgefallen sind viel weniger Stunden, oft fand Vertretungsunterricht statt, nur eben nicht laut ursprünglichem Plan." Krüger gesteht aber ein: "Wir haben zu viel Unterricht, der anders läuft als vorgesehen. Erkrankungswellen, Personalmangel, das schlägt voll durch."

Abi-Schnitt in SH sinkt und weniger Abiturienten

Der Abi-Schnitt der schleswig-holsteinischen Schüler sei über die Jahre gesunken, bemängelte Martin Haberssat (SPD). Genauso gebe es inzwischen weniger junge Menschen, die ihr Abitur schafften. Weniger Abiturienten bedeute nicht unbedingt eine schlechtere Gesamtleistung, meint dagegen Martin Balasus (CDU) "Hier bei uns wird deutlicher als in anderen Regionen auf Leistung gesetzt. Und das ist gut so." Mit der Förderung der Basiskompetenzen "Lesen, Schreiben, Rechnen" setze die Regierung den Schwerpunkt "genau dort, wo er hingehört. Denn wenn das Fundament nicht stimmt, wird es schwierig mit dem schulischen Erfolg in allen Fächern", so Balasus.

Dieses Thema im Programm:
NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 23.05.2025 | 10:02 Uhr