
"Letzte Verteidigungswelle" Bereits mehrere Verfahren gegen junge Neonazis
Bereits vor der Razzia gegen die "Letzte Verteidigungswelle" haben mehrere der jungen mutmaßlichen Rechtsterroristen im Visier von Ermittlern gestanden. Nach Informationen von NDR und WDR laufen mehrere Verfahren.
Mehrere Mitglieder der am Mittwoch zerschlagenen, rechtsradikalen Terrorgruppe "Letzte Verteidigungswelle" waren offenbar schon zuvor länger im Visier der Ermittler. So sind gegen Jason R. und Benjamin H. aus Mecklenburg-Vorpommern jeweils mehrere Verfahren anhängig, bei denen es in einigen Fällen auch um politisch motivierte Straftaten geht. Die Bundesanwaltschaft wirft beiden vor, Rädelsführer in der rechtsradikalen Terrorgruppe "Letzte Verteidigungswelle" gewesen zu sein. NDR und WDR haben die Verteidiger der Beschuldigten um eine Stellungnahme gebeten, diese haben jedoch nicht reagiert.
Gegen den 18-jährigen Jason R., den Polizisten in Wismar festnahmen, wird derzeit auch wegen eines Einbruchs in einen Tierpark ermittelt. Er soll dort mit weiteren Tätern eingedrungen sein. Anschließend fanden Mitarbeiter des Tierparks nach eigener Aussage eine tote Ziege mit Messerstichen im Bauch in einem Bach. Zudem waren früheren Berichten zufolge mehrere Kaninchen und Meerschweinchen gestohlen worden, von denen einige ebenfalls zu Tode kamen. Welche Rolle R. bei diesen Taten konkret spielte, wird noch ermittelt.
Zudem ist gegen R. in einem anderen Verfahren bereits Anklage wegen des Verstoßes gegen das Waffengesetz erhoben worden. Ein Anfrage zu den vorgeworfenen Straftaten blieb unbeantwortet.
Ermittlungen wegen Waffen und NS-Symbolen
Auch der zweite in Mecklenburg-Vorpommern festgenommene Verdächtige, der 16-jährige Benjamin H. aus Neubukow, ist bereits polizeibekannt. Derzeit werde in drei Ermittlungsverfahren wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen sowie wegen Verstößen gegen das Waffengesetz gegen den Jugendlichen ermittelt. So soll H. in Chatgruppen und auf Social Media-Profilen Symbole mit nationalsozialistischen Bezügen verbreitet haben.
In H.s Zuhause sowie an weiteren Orten im Landkreis Rostock durchsuchten Ermittler am Mittwoch Wohnungen. Dabei seien auch Waffen gefunden worden sowie ein Gegenstand, der womöglich unter das Sprengstoffgesetz fallen könnte, wie ein LKA-Sprecher am Mittwoch sagte. Welche Funde davon konkret H. zugeordnet werden, ist aber noch nicht bekannt.
In einem weiteren Verfahren hat die Staatsanwaltschaft gegen H. bereits Anklage erhoben: Er soll im September 2024 in Wismar bei einer rechtsradikalen Demo gegen den Christopher Street Day (CSD) gegen das Versammlungsgesetz verstoßen haben. Damals hatten mehrere Hundert überwiegend junge Neonazis unter Parolen wie "Ost- Ost-, Ostdeutschland" und schwarz-weiß-roten Fahnen gegen den CSD demonstriert. Was genau H. vorgeworfen wird, ist nicht bekannt. Auch seine Verteidiger reagierten auf eine Anfrage zu den Ermittlungen gegen ihn nicht.
Ermittlungen wegen Strafunmündigkeit eingestellt
Gegen einen heute 14-Jährigen aus Hessen, der mittlerweile ebenfalls in Untersuchungshaft sitzt, war im vergangenen Jahr in zwei Verfahren wegen Verwendens verfassungswidriger Kennzeichen ermittelt worden. Weil er zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht strafmündig war, wurden beide Verfahren eingestellt, teilte die Staatsanwaltschaft Limburg mit.
Der Generalbundesanwalt wirft dem Jugendlichen Beihilfe zur besonders schweren Brandstiftung und Sachbeschädigung vor. Eine Reaktion auf eine Anfrage von NDR und WDR blieb aus.
Auch zwei junge Männer aus Thüringen, Claudio S. und Justin W., sind bereits zuvor ins Visier von Ermittlern geraten: Mit mutmaßlichen Hakenkreuzschmierereien und der Beschädigung eines Autos. Zu früheren Ermittlungen äußerten sich auch ihre Verteidiger nicht. Beide Thüringer sollen, so der Vorwurf der Bundesanwaltschaft, im Januar versucht haben, in Schmölln in Ostthüringen eine Asylbewerberunterkunft anzuzünden.
Sie sollen ein Fenster eingeschlagen und dann versucht haben, mit einer Feuerwerksbatterie ins Hausinnere zu schießen. Außerdem sollen sie mehrere rechtsradikale Parolen gesprüht haben, darunter "Deutschland den Deutschen", "NS-Gebiet" und SS-Runen.
Razzien in drei Bundesländern
Am Mittwoch hatte die Bundesanwaltschaft bei Razzien in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Hessen die fünf jungen Männer festnehmen lassen. Die 14- bis 18-Jährigen sollen sich "Letzte Verteidigungswelle" genannt und Anschläge auf Geflüchtete und politisch Andersdenkende geplant haben. Teils sollen sie den Angaben der Behörde zufolge bereits Brandanschläge verübt haben.
Ihnen wird unter anderem Mitgliedschaft und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen. Zwei Mitgliedern wird versuchter Mord vorgeworfen. Alle fünf Festgenommenen sitzen in Untersuchungshaft. Zu der Vereinigung gehörten der Bundesanwaltschaft zufolge noch weitere drei Verdächtige im Alter von 18 bis 21 Jahren, die sich schon vor der Razzia am Mittwoch in Untersuchungshaft befanden.