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Vorwurf mehrerer Verbände Verlangsamt die Telekom bewusst den Netzzugang?

Stand: 27.05.2025 07:14 Uhr

Verbraucherschützer werfen der Telekom vor, bewusst Engpässe im Internet zu schaffen, um zusätzlich Geld für schnellere Zugänge zu kassieren. Sie sehen darin eine Verletzung von EU-Recht. Die Telekom widerspricht.

"Für den Kunden fühlt es sich so an, als ob unsere Seite und unser Service nicht richtig laden würde, als ob unser Server langsam wäre. Die Anfrage kommt bei unserem Server langsamer an, als sie müsste", erzählt Peter Müller. Er heißt eigentlich anders, bittet aber darum, dass wir keine genaueren Angaben über ihn veröffentlichen - er fürchtet Nachteile für sein Geschäft.

Müller führt ein kleines Start-up-Unternehmen irgendwo in Deutschland. Er bietet Softwarelösungen für Dienstleister in der Gesundheitsbranche an. Für Läden also, die Kompressionsstrümpfe verkaufen könnten oder Bandagen, Brillen, Hörgeräte oder Inhalatoren. Seine Kunden müssen über das Internet auf seine Software zugreifen, viele tun das mit der Telekom als Netzanbieter.

Für Müller ein Problem: "Wenn (…) unser Kunde auf unsere Server zugreifen will, dann wird die Anfrage letztendlich über das Telekom-Netz an unseren Server gestellt. Und die Telekom drosselt absichtlich - (…) sie sagen es nicht so, aber es ist letztendlich so - die Geschwindigkeit dieser Anfrage herunter", sagt er.

Schnelles Internet nur gegen Aufpreis?

Das Problem trete vor allem zu "gewissen Lastzeiten" auf. Dass es an der Telekom liege, habe man technisch nachgeprüft - und sich deshalb mit dem Problem an Deutschlands größten Netzanbieter gewandt. Die Telekom habe ihm dann auch eine "direktere Anbindung" angeboten, allerdings kostenpflichtig - "ein hoher vierstelliger bis niedriger fünfstelliger Betrag" pro Monat, erzählt Müller. Für ihn nicht rentabel.

Schnellerer Internetzugang gegen Extrazahlung von Online-Diensten? Genau das wirft ein Bündnis von NGOs, die sich für Grund- und Freiheitsrechte in Digitalisierung und Internet stark machen, und der Verbraucherzentrale Bundesverband der Telekom vor. Was Start-up-Unternehmer Müller beschreibe, sei nur einer von vielen ähnlichen Fällen. Hunderte Beispiele habe man zusammengetragen, so das Bündnis, und Beschwerde gegen die Telekom bei der Bundesnetzagentur eingelegt.

Verstoß gegen das Gebot der Netzneutralität?

Das Bündnis wirft der Telekom vor, "quasi an den Zugängen zu ihrem Netz künstlich Engpässe zu schaffen und diese Engpässe dann quasi zu nutzen, um von Online-Diensten Geld zu verlangen, damit sozusagen der ungehinderte Zugang zu den Diensten gewährt wird", wie Lina Ehrig sagt, Digitalexpertin beim Verbraucherzentrale Bundesverband. Das Bündnis warnt vor einer "Zweiklassengesellschaft im Internet". Die Wahlfreiheit der Verbraucherinnen und Verbraucher sei eingeschränkt, so Verbraucherschützerin Ehrig, "weil nicht jeder Onlinedienst in der Lage ist, diese zusätzlichen Gebühren zu bezahlen".

Das Bündnis sieht in der Geschäftspraxis der Telekom eine Verletzung der sogenannten Netzneutralität, die die EU Ende 2015 als Grundprinzip verordnet hat. Alle Daten sollen im Internet grundsätzlich unabhängig von Herkunft, Inhalt, Anwendung, Absender oder Empfänger gleich behandelt werden. Kein Drosseln, kein Blocken, keine Diskriminierung oder Priorisierung.

Seit 2016 überwacht die Bundesnetzagentur die Netzneutralität in Deutschland - und kann bei Verletzung Zwangsgelder sowie Bußgelder verhängen. Die Netzneutralität sei "ein Grundpfeiler unserer freien Gesellschaft, weil es hier auch in um die Integrations- und Meinungsfreiheit im Netz geht, weil es um Zugang zu Inhalten geht", sagt Ehrig.

Telekom widerspricht

Die Telekom widerspricht den Vorwürfen. Man verletze die Netzneutralität nicht, antwortet Konzernsprecherin Nicole Schmidt auf Anfrage. "Wir verlangsamen weder Netzverkehre, noch schaffen wir künstliche Engpässe. Es gibt keine Strategien zur künstlichen Überlastung von Verbindungsstellen."

Die Vorwürfe zeugten von rechtlichem und technischem Unverständnis. In bestimmten Fällen seien kostenpflichtige Direktverbindungen "weltweit branchenübliches Vorgehen", so Schmidt. Vor allem mit Content-Anbietern - Unternehmen also, die Inhalte etwa für Streamingdienste, Videoplattformen oder Social Media bereitstellen. Diese Inhalte machen laut Telekom den "Löwenanteil der Daten" aus, die im Internet transportiert werden, auch im Netz der Telekom. Mit den erzielten Entgelten aus solchen Datentransporten würde man den Ausbau der Netze mitfinanzieren, so der Konzern, und so digitale Teilhabe sicherstellen.

Bundesnetzagentur prüft

Die Telekom sieht der Überprüfung der Beschwerde der Verbraucherschützer durch die Bundesnetzagentur gelassen entgegen, so die Konzernsprecherin. Wie lange die Prüfung der Beschwerde dauert, sei "nicht seriös vorhersehbar", heißt es von der Bundesnetzagentur.

Start-up-Unternehmer Müller hofft auf eine Entscheidung in seinem Sinne. Seinen Kunden in der Gesundheitsbranche, die mit der Telekom ins Internet gehen, um auf seine Software zuzugreifen, empfiehlt er inzwischen, sich über einen zusätzlichen VPN-Dienst einzuwählen. Das koste seine Kunden zwar zusätzlich Geld, doch sie kämen dann ohne Verzögerung auf seine Server.