
Trotz neuer Zollsorgen US-Märkte drehen noch nach oben
Erneute Zollsorgen, aber auch Zinshoffnungen nach schwachen Konjunkturdaten: Die Wall Street fand zum Wochenstart lange keine Richtung. Am Ende überwogen die Hoffnungen.
Nach anfänglichen Verlusten haben sich die US-Aktienmärkte im Verlauf gefangen und sind mit moderaten Gewinnen aus dem Handel gegangen. Dass am Ende trotz neuer Zolldrohungen von US-Präsident Donald Trump und gegenseitiger Vorwürfe der beiden Großmächte USA und China die Bullen (Käufer) das bessere Ende für sich hatten, lag auch an schwächeren Konjunkturzahlen, die Zinsfantasien stützten.
Am Ende profitierte davon besonders die Technologiebörse Nasdaq, die letztlich 0,67 Prozent zulegte auf 19.242 Punkte. Auch der Auswahlindex Nasdaq 100 gewann 0,71 Prozent.
Differenzierter ging es bei den Standardwerten zu, hier waren eher neue Zollsorgen die Hauptantreiber für eine schwächere Entwicklung. Der marktbreite S&P 500 stieg moderat um 0,41 Prozent. Der Leitindex Dow Jones, der lange Zeit im Minus gelegen hatte, holte im Verlauf zumindest seine Verluste auf und schloss bei 42.305 Zählern noch leicht höher.
Thema des Tages waren ansonsten zunächst, wie zuvor auch schon in Europa, die Zoll-Streitigkeiten mit China. US-Präsident Trump will die Zölle auf Stahl- und Aluminium-Importe ab Mittwoch auf 50 Prozent verdoppeln, wie er am Freitag nach Börsenschluss angekündigt hatte. Die EU drohte daraufhin mit Gegenmaßnahmen.
"Es ist diese anhaltende Unsicherheit, dieses Nichtwissen, ob der Handelskrieg weitergeht oder nicht, weil ständig etwas Neues hinzugefügt oder verschoben wird", sagte Sam Stovall, Chefstratege beim Analysehaus CFRA.
Die Stimmung in der US-Industrie hat sich im Mai unerwartet erneut verschlechtert. Der Einkaufsmanagerindex ISM fiel um 0,2 Punkte auf 48,5 Punkte, wie das Institute for Supply Management (ISM) heute mitteilte. Es ist der vierte Rückgang des Stimmungsindikators in Folge und der tiefste Stand seit vergangenem November.
Volkswirte hatten hingegen mit einem Anstieg auf 49,5 Punkte gerechnet. Das Barometer entfernte sich stattdessen weiter von der Marke von 50, ab der es ein Wachstum anzeigt. Auf das verarbeitende Gewerbe entfallen gut zehn Prozent der Wirtschaftsleistung der USA, die im ersten Quartal überraschend zurückgegangen war.
"Die konjunkturelle Perspektive des Sektors bleibt getrübt und die Zinssenkungserwartungen bezüglich der Fed werden tendenziell gestärkt", kommentierte Ralf Umlauf, Volkswirt bei der Landesbank Helaba.
Unter den Einzelwerten steht BioNTech besonders im Blick. Der deutsche Impfstoffproduzent wird die weitere Entwicklung eines seiner vielversprechendsten Wirkstoffkandidaten zur Behandlung von Krebs gemeinsam mit dem US-Konzern Bristol-Myers Squibb (BMS) vorantreiben.
Eine Vereinbarung beider Unternehmen sieht die gemeinsame globale Entwicklung und Kommerzialisierung des Wirkstoffkandidaten BNT327 vor. Damit verbunden sind Zahlungen in Milliardenhöhe der Amerikaner an die Mainzer. Die Aktie sprang um etwas über 18 Prozent auf 113,10 Dollar.
Unter Druck gerieten hingegen die Papiere von Tesla, die 1,1 Prozent einbüßten. Der Elektroautopionier verkaufte im Mai zwar wieder mehr Autos in Norwegen. In vielen anderen europäischen Ländern ging der Absatz hingegen den fünften Monat in Folge zurück.
US-Präsident Trump sorgte auch heute mal wieder für Bewegung an der Börse. Indem er während laufender Verhandlungen mit der EU die Erhöhung der Zölle für die Einfuhr von Stahl in die Vereinigten Staaten von derzeit 25 Prozent auf 50 Prozent des Warenwerts angekündigt hat, verunsicherte er die Investoren einmal mehr. Denn die US-Regierung bleibt damit auch weiterhin unberechenbar, was bei Anlegern nicht gern gesehen wird.
Allerdings bleibt auch weiter die Hoffnung auf eine Einigung im Streit mit Washington, zudem wird der heimische Markt von Zinssenkungshoffnungen sowie neuen Investitionen durch die Bundesregierung gestützt.
Letztlich schloss der deutsche Leitindex moderat um 0,28 Prozent im Minus bei 23.930 Punkten. Das Tagestief bei 23.740 Punkten am Nachmittag ließ der Index zum Sitzungsende hin aber hinter sich, zu einem Dreh ins Plus reichte es aber nicht mehr. Die Spitze lag heute bei 23.993 Zählern. Am Freitag hatte der DAX bei 23.997 Punkten bereits knapp unter der runden Marke von 24.000 Punkten geschlossen.
Er bleibt damit auf Abstand zu seinem Rekordhoch aus der Vorwoche bei fast 24.326 Punkten. Die Experten von Index Radar sprechen von einer Konsolidierung nach der Mai-Party. Im Mai, dem meist der Ruf eines schlechten Monats für die Börse vorauseilt, hatte der DAX einen Zuwachs von 6,7 Prozent verbucht. Seit Jahresanfang beläuft sich das Plus auf ein Fünftel.
Der MDAX der mittelgroßen Werte hielt sich hingegen besser und legte um 0,53 Prozent zu. Die Werte aus der zweiten Reihe sind weniger stark von internationalem Störfeuer betroffen als die meisten DAX-Mitglieder. Zudem kommen die Hoffnungen auf größere Effekte durch die kreditfinanzierten Konjunkturprogramme der neuen Bundesregierung in Infrastruktur und Rüstung in diesem eher auf das Inland fokussierten Marktsegment stärker zum Tragen.
Apropos Rüstung: Rüstungsaktien von Hensoldt, Rheinmetall und Renk stiegen zum Wochenstart zunächst auf neue Allzeithochs. Am Nachmittag rutschte besonders Rheinmetall aber wieder ab - nach einem "Spiegel"-Bericht, demzufolge es in der Regierung Gedankenspiele gibt, die hohen Gewinne der Konzerne womöglich zusätzlich zu besteuern.
David Perry von der US-Bank JPMorgan rechnet bei den drei deutschen Rüstungskonzernen in den kommenden fünf Jahren mit einer außerordentlich starken Entwicklung bei Umsatz, Margen und Barmittelzuflüssen. Er geht davon aus, dass 2030 etwa die Hälfte des deutschen Aufrüstungszyklus erreicht ist.
Die Ölpreise bauen ihre Gewinne am Nachmittag aus. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent verteuerte sich zuletzt um 4,0 Prozent auf 65,18 Dollar. Und das, obwohl die OPEC+ am Samstag beschlossen hatte, die Produktion im Juli um 411.000 Barrel pro Tag zu erhöhen.
Der jüngste Schritt war von den Märkten bereits erwartet worden und dürfte sich daher nicht stark auf die Ölpreise auswirken, hatten Analysten der Commerzbank bereits vor der Entscheidung prognostiziert. Diese standen zuvor schon länger unter Druck. Am Freitag hatte es bei Insidern noch geheißen, dass auch eine höhere Anhebung erfolgen könne. Wäre dies der Fall gewesen, "hätte der Eröffnungskurs am Montag tatsächlich nicht gut ausgesehen", schrieb Onyx-Analyst Harry Tchilinguirian auf LinkedIn.
Experten der US-Investmentbank Goldman Sachs erwarten, dass die OPEC+ im August eine letzte Produktionsausweitung um 410.000 Barrel pro Tag umsetzt. Grund dafür seien das knappe Angebot am physischen Ölmarkt, starke Konjunkturdaten und die erhöhte Nachfrage nach Kraftstoff während der Urlaubssaison.
Der Euro weitete seine Gewinne nach den US-Industriedaten aus und wurde zuletzt im US-Handel bei 1,1446 Dollar um rund 0,8 Prozent höher gehandelt.
"Mittlerweile dürfte den meisten Marktteilnehmern klar sein, dass, auch wenn wir immer mal wieder Zeiten von kurzfristiger Entspannung sehen, der grundsätzliche Konflikt zwischen den beiden Weltmächten nicht einfach gelöst werden kann", sagte Commerzbank-Analyst Michael Pfister zum Verhältnis der USA mit China. Angesichts der erratischen US-Handelspolitik mit steigenden Zöllen sei zu befürchten, dass sich andere Länder immer weiter von den USA abwendeten. "Langfristig ist das kein gutes Zeichen für den US-Dollar."
In der neuen Woche steht unter anderem am Donnerstag die mit Spannung erwartete EZB-Zinsentscheidung an. Nachdem sich die Inflation in der Eurozone zuletzt der Zielmarke von 2,0 Prozent angenähert hatte, wird mit einer Fortsetzung der Zinswende gerechnet. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,1419 (Freitag: 1,1339) Dollar fest.
Der Logistikriese DHL hebt zum 1. Juli Preise für Privatkunden-Pakete und -Päckchen ins Ausland an. Grund hierfür seien insbesondere gestiegene Lohn-, Transport- und Zustellkosten, teilte das Unternehmen mit. So steige etwa der Filialpreis für ein DHL-Päckchen M Zone 4 auf 24,99 Euro von bislang 19,99 Euro. Die Bundesnetzagentur habe die Preisänderungen bereits genehmigt.
Die ohnehin kriselnde Stahlindustrie in Deutschland mit Branchenriesen wie Thyssenkrupp und Salzgitter gerät durch die Erhöhung der Importzölle in den USA noch stärker unter Druck. Der niedersächsische Stahlkonzern Salzgitter kritisierte heute die von US-Präsident Donald Trump angekündigte Verdoppelung der Importzölle auf 50 Prozent.
Die Stahlbranche in Europa macht seit Jahren Front gegen Billigimporte aus Fernost, insbesondere aus China. Nach Angaben von Eurostat stiegen die EU-Importe von Eisen und Stahl aus China im ersten Quartal 2025 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 36 Prozent. "Eine 50-Prozent-Abgabe auf Stahlexporte ist eine massive Belastung für unsere Branche, da sie den Druck auf die ohnehin krisenhafte Konjunktur weiter erhöhen wird und unsere Stahlindustrie auf vielfältige Weise trifft", sagte die Hauptgeschäftsführerin der Wirtschaftsvereinigung Stahl, Kerstin Maria Rippel.
Weil der Essenslieferdienst Delivery Hero ein illegales Kartell mit dem Unternehmen Glovo gebildet hat, muss die Firma mit Sitz in Berlin gut 223 Millionen Euro Strafe zahlen. Konkret geht es um wettbewerbswidrige Absprachen, etwa über Preise und Strategien, teilte die EU-Kommission in Brüssel mit.
Glovo mit Hauptsitz in Spanien - mittlerweile eine Tochter von Delivery Hero - verdient sein Geld ebenfalls in der Lieferdienst-Branche und muss knapp 106 Millionen Euro Strafe zahlen. Zusammengenommen kommt auf den börsennotierten deutschen Konzern damit eine Strafe von 329 Millionen Euro zu, wie es von den Berlinern hieß.
Der Pharma- und Kosmetik-Verpackungshersteller Gerresheimer blickt wegen einer anhaltenden gedämpften Nachfrage im Kosmetikmarkt pessimistischer auf das laufende Geschäftsjahr 2025. Hinzu kommt ein Nachfragerückgang im Bereich für oral einzunehmende flüssige Medikamente.
Die Dividende für das vergangene Geschäftsjahr (bis Ende November) will der Gerresheimer-Vorstand wegen der trüben Geschäftsaussichten auf das Minimum kürzen, wie der MDAX-Konzern heute überraschend mitteilte. An der Börse kamen die Nachrichten nicht gut an. Die Aktie verlor zuletzt um fast ein Viertel an Wert und stand damit deutlich am Indexende.
Google hat sich in einem Rechtsstreit mit Aktionären auf einen millionenschweren Vergleich geeinigt. Das belastet die Aktie der Muttergesellschaft Alphabet. Die Titel gaben rund 1,5 Prozent nach.
Google hat sich bereiterklärt, über einen Zeitraum von zehn Jahren 500 Millionen Dollar in die Neuausrichtung seiner Compliance-Systeme zu investieren. Das geht aus der Vergleichsvereinbarung hervor. Damit soll eine Klage von Aktionären beigelegt werden, die dem Google-Mutterkonzern Verstöße gegen das Kartellrecht vorwarfen. Google bestritt zugleich jegliches Fehlverhalten.
Der Zementkonzern Holcim hat die wichtigsten Genehmigungen für die Abspaltung seines Nordamerikageschäfts Amrize erhalten. Der Handel mit den Amrize-Aktien soll am 23. Juni an der New York Stock Exchange und der Schweizer Börse SIX unter dem Tickersymbol "AMRZ" aufgenommen werden, wie Holcim heute mitteilte. Die Abspaltung des Holcim-Geschäfts dürfte eine der größten Transaktionen der Baustoffbranche der vergangenen Jahre werden.