Blick auf einen Ilmenit-Tagebau in einer Schlucht in der Region Kirowohrad in der Ukraine

Fehlende Rohstoffstrategie Was tun, wenn die Seltenen Erden knapp werden?

Stand: 27.05.2025 15:44 Uhr

Sollte China wirklich einmal die Ausfuhr Seltener Erden stoppen, sehen Experten besonders für die Autoindustrie schwarz. Die Vorräte reichen offenbar nur für wenige Wochen.

Von Samir Ibrahim, ARD-Finanzredaktion

Als China jüngst ankündigte, seine Ausfuhr von Seltenen Erden zu verringern, wenn die USA den Zollstreit auf die Spitze treiben, schrillten in den Konzernzentralen die Alarmglocken. Rohstofflieferanten berichteten von hektischen Anfragen und zahlreichen Aufträgen.

Ernste Sorgen machte man sich vor allem in der Autoindustrie. Die Branche steht ohnehin unter Druck, und nun auch noch dieses Problem: Lange käme man mit dem, was man an Seltenen Erden auf Vorrat hat, nicht hin. "Es soll so sein, dass man bis Juni Vorräte angeschafft hat, dann soll es erst einmal nichts mehr geben", sagte der Branchenexperte Jürgen Pieper im Update Wirtschaft auf tagesschau24.

Elektronisch definiertes Auto im Trend

Ein Problem sei das deshalb, weil moderne Autos ohne Computer und Elektronik gar nicht mehr vorstellbar sind. Seit in den 1980er-Jahren die ersten Fensterheber elektrisch betrieben wurden, sei die Technik immer schneller vorangeschritten, sagte der unabhängige Auto-Experte Christoph Stürmer. Die Rede sei inzwischen vom "electronic defined vehicle". "Das ist also ein Fahrzeug, das um die digitalen Funktionen herum gebaut wird. Das einen zentralen Prozessor hat, der wiederum große Computer kontrolliert, die einzelne Funktionen im Fahrzeug steuern."

Die Leistung dieser Prozessoren sei enorm, sagt Stürmer. Ein normaler Laptop könne hier schon nicht mehr mithalten. Entsprechend groß ist der Bedarf.

"Strategisch viel zu wenig gedacht"

Doch vorbereitet sei man auf Lieferausfälle oder politisch gewollte Verknappung noch immer nicht, sagt Pieper. Obwohl die Abhängigkeit schon lange bekannt sei: "Strategisch hat man einfach viel zu wenig gedacht. Also politisch genauso wenig wie bei den großen Unternehmen." Obwohl es entsprechende Vorzeichen gegeben habe, habe man nicht über Verknappungsszenarien nachgedacht, so der Branchenexperte. "Dass diese Globalisierung mal zu einem Ende kommen oder zurückgefahren werden könnte - da stellt man fest: Strategisch sind sie alle doch nicht so richtig gut aufgestellt."

Nun werde über direkte Lizenzvereinbarungen mit China nachgedacht - um Sanktionen zu umgehen. Oder die erhöhte Produktion in anderen Teilen der Welt. Der Griff der USA nach den Rohstoffen der Ukraine kommt dabei nicht von ungefähr - auch die Ukraine besitzt Seltene Erden.

Experten mahnen Rohstoffstrategie an

Dass der Trend zum elektronischen Auto nachlässt, ist kaum vorstellbar. Inzwischen sei es sogar so, dass bei Fahrzeugen der neuesten Generation nicht mehr Teile erneuert werden, um sie besser zu machen, sagt Christoph Stürmer - es werde nur noch ein Update aufgespielt. Das sei ein Paradigmenwechsel: "Moderne und zukünftige Autos werden tatsächlich noch viel mehr Elektronik und Computertechnik enthalten als heutige Fahrzeuge. Das ist ein eindeutiger Trend."

Die Hochindustrienation Deutschland ist nach Meinung von Fachleuten deshalb eigentlich schon länger gut beraten, sich eine Rohstoffstrategie zurecht zu legen. Selbst habe man ja so gut wie keine Bodenschätze. Und solch eine Strategie sei eben vor allem für die größte Industriesparte des Landes wichtig, an der ein guter Teil des Wohlstands in Deutschland hängt.