Merz nach der Ankunft in Washington

Antrittsbesuch in Washington Wie Merz bei Trump punkten kann

Stand: 05.06.2025 08:32 Uhr

Heute findet das erste Treffen von Kanzler Merz mit US-Präsident Trump statt - und die Gefahr einer Eskalation schwingt mit. Beobachter sagen: Der Erfolg misst sich am Tonfall, nicht an den Ergebnissen.

Es geht bei diesem Antrittsbesuch weniger um konkrete Verhandlungsergebnisse. Es geht um das Persönliche, den Tonfall - um die Frage, ob US-Präsident Donald Trump und Bundeskanzler Friedrich Merz einen Draht zueinander finden. Und ob der US-Präsident in Zukunft, wenn es ein Problem in Europa gibt, vielleicht als erstes daran denkt, den Bundeskanzler anzurufen.

Droht eine Demütigung wie bei Selenskyj?

Es geht darum, jede Art von Eskalation zu vermeiden, wie es sie beim Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus gab. Trump demütigte Selenskyj vor den Kameras der Weltpresse. "Grundsätzlich besteht diese Gefahr bei jedem Besuch im Oval Office", sagt Philip Luck vom Zentrum für Strategische und Internationale Studien CSIS in Washington.

Die Wahrscheinlichkeit sei diesmal zwar nicht so hoch, angesichts des insgesamt guten Verhältnisses zu Deutschland, meint Luck. Doch wenn Trump in der Stimmung sei, zu provozieren, etwas Feindseliges zu sagen, sei es sehr schwer, dagegen zu steuern. "Dann kann es ziemlich schnell in Richtung Eskalation gehen", so der Wirtschaftswissenschaftler.

Fokus auf Gemeinsamkeiten

Beim Smalltalk zu Beginn dürfte Merz jedenfalls gute Chancen haben, bei Trump zu punkten. Nicht nur weil der Kanzler ebenfalls Golf spielt - sondern auch, weil Merz früher bei der US-Investmentgesellschaft BlackRock gearbeitet und damit Erfahrung in Trumps Lieblingsfeldern Wirtschaft und Finanzen hat.

"In jedem Fall wird das Thema Handel und Zölle eine große Rolle spielen", meint Philip Luck. Er erwartet zwar hier keine großen Fortschritte, auch weil der Hauptverhandlungspartner in Handelsfragen die Europäische Union ist. Aber: Deutschland ist der wichtigste europäische Exporteur von Stahl, Trump hat die deutsche Autoindustrie im Blick. So hat Merz zumindest die Chance, Argumente unterzubringen und Trump das Gewicht der deutschen und europäischen Wirtschaft vor Augen zu führen.

Gedämpfte Erwartungen beim Thema Ukraine

Auch beim zweiten großen Themenbereich - Russland, Ukraine und NATO - sind die Erwartungen von US-Seite eher gedämpft. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass es beim Thema Ukraine viel Bewegung gibt", so Luck. "Aber", fügt er hinzu, "wenn der Kanzler den Präsidenten mit klaren Worten davon überzeugen kann, dass Deutschland tatsächlich die Militärausgaben deutlich erhöht, kann das die Dinge zum Guten wenden".

Unter dem Strich, betont Luck, sei die Bedeutung Europas und damit Deutschlands für die Trump-Regierung deutlich gesunken. Das Hauptthema der Zukunft, der Hauptkonkurrent sei für die USA China - darin bestehe parteiübergreifend Konsens.

Für Friedrich Merz heißt das am Ende des Tages: Wenn die Stimmung freundlich blieb im Weißen Haus, wenn offener Streit vermieden wurde, wenn er Donald Trump zumindest in Einzelfragen vom bleibenden Gewicht Deutschlands und Europas überzeugen konnte, dann war die Reise schon ein Erfolg. Vielleicht ruft Trump dann beim nächsten ernsthaften Problem ja tatsächlich - nicht nur, aber auch - den Kanzler an.

Ralf Borchard, ARD Washington, tagesschau, 05.06.2025 07:44 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete am 05. Juni 2025 MDR Aktuell um 10:07 Uhr und die tagesschau um 12:00 Uhr.