
Interesse steigt Wieso Jugendliche Schiedsrichter werden
Nach Jahren der Flaute gibt es wieder mehr ehrenamtliche Schiedsrichter. Einer von ihnen ist Silas, der sich mit 14 schon bei Spielen der Herrenmannschaften behauptet. Er muss viel einstecken - aber gibt dennoch nicht auf.
Silas ist einen Kopf kleiner als die meisten Spieler, als er am Sonntag um 15 Uhr auf den Platz läuft. Es ist das Top-Spiel in der Kreisliga, und für den Tabellenersten und -zweiten geht es um den Aufstieg. "Das kann heute definitiv hitzig und emotional werden", raunt ihm sein Mentor Andreas Nehren zu. "Lass sie erstmal reden und wenn sie zu weit gehen, sagst du mir Bescheid."
Silas hat mit zwölf die Schiedsrichter-Grundausbildung gemacht, geträumt hatte er davon aber schon mit acht. Inzwischen gilt er bei seinem Verein SV Grün-Weiß Brauweiler als Ausnahmetalent. Er pfeift Spiele über seiner Altersklasse und assistiert bei Seniorenspielen als Linienrichter - bis in die Landesliga. Andreas Nehren ist als Schiri-Koordinator für das Fördern von jungen Talenten wie ihm zuständig. "Die Jungs pfeifen ihre Juniorenspiele gut, aber Männerfußball ist etwas völlig anderes. Es ist wichtig, dass die Jungs da rangeführt werden und damit klarkommen."

Nachwuchs-Schiri Silas und sein Mentor Andreas Nehren.
Schiedsrichter sein: im Trend
Lange wurden die Schiedsrichter in Deutschland weniger, denn viele ältere Unparteiische hörten auf, während gleichzeitig nicht genügend Nachwuchs die Ausbildung machte. In der Saison 2023/2024 meldete der DFB erstmals seit 20 Jahren wieder einen Zuwachs von 22 Prozent.
Andreas Nehren sagt, das Schiedsrichter-Image sei lange angestaubt gewesen. Jetzt käme unter anderem durch viele Dokumentationen, die den Schiri-Alltag zeigen und auf TikTok trenden, wieder frischer Wind in die Sache: "Ich bemerke, dass das Schiedsrichter-Ding gerade cool ist und das ist enorm wichtig, damit wir die Spiele weiterhin besetzt bekommen." In seinem Verein haben sich zum letzten Lehrgang 60 Menschen angemeldet - ein deutliches Plus.
Pro Spiel kriegen die Jugendlichen zwischen 25 und 30 Euro - kein schlechter Stundenlohn. Das war auch für Silas zu Beginn ein Teil seiner Motivation. Inzwischen macht er es aus purer Leidenschaft. "Das Gefühl ist einfach unbeschreiblich, wenn du auf den Platz kommst und die Verantwortung spürst", so der 14-Jährige. "Am liebsten mag ich Spiele, in denen viel passiert, es viele rote Karten gibt und man auch mal schwierige Entscheidungen treffen muss."
"Ich könnte dein Vater sein, schrei mich nicht an!"
So kommt es auch in diesem Spiel. Die Stimmung auf und neben dem Platz kippt plötzlich. Besonders der Trainer und die Reservebank an Silas' Seitenlinie haben sich nicht mehr im Griff und lassen ihre Wut am Nachwuchs-Schiri aus. Er steht im Feuer von bis zu fünf Männern gleichzeitig. "Du bist so alt wie mein Sohn, ich könnte dein Vater sein, schrei mich nicht an!", brüllt der Trainer, unzufrieden mit einer von Silas’ Entscheidungen. Nehren ist sofort da und stellt sich vor seinen Schützling. In der Halbzeitpause ziehen sie sich in ihre Kabine zurück. Die Stimmung ist angespannt.
"So habe ich das bisher noch nie erlebt, und ich habe schon 90 Spiele assistiert", erzählt Silas. Wie er sich nicht unterkriegen lässt? "Ich nehme davon nichts persönlich, weil ich weiß, dass die mich nicht anschreien, weil ich ein schlechter Mensch bin. Die sind einfach gerade sehr emotional."
Immer sei er jedoch nicht so locker gewesen. Wäre das heute sein erstes Spiel, hätte er eventuell direkt wieder aufgehört, gibt er zu bedenken. Tatsächlich liegt in seinem Verein die Quote derer, die nach der Grundausbildung längerfristig als Schiedsrichter weitermachen, bei etwa 50 Prozent.
Schwierige Spiele sind gut für das Selbstbewusstsein
Das Spiel bleibt chaotisch. Es fallen etliche gelbe und rote Karten und es gibt volle 22 Minuten Nachspielzeit. Am Spielfeldrand steht Silas' Familie. Seine Mutter Verena beobachtet eine beachtliche Entwicklung bei ihrem Sohn, seit er als Schiedsrichter aktiv ist: "Sich da auf dem Platz so zu behaupten, wenn immer die Hälfte gegen dich ist, das hat ihn enorm weitergebracht."
Silas' Schiedsrichter-Tage sind lang, und oft ist er von mittags bis spät abends unterwegs. Inzwischen ist er auch im sogenannten Kreisförderkader für besonders talentierte Jungschiedsrichter.
Als das Spiel 5:3 für den Tabellenführer endet, ist Silas sichtlich erschöpft, aber zufrieden mit sich. "Solche Spiele bestärken mich nur noch mehr. Mir hat es heute sehr, sehr viel Spaß gemacht., so der 14-Jährige mit einem Becher Cola in der Hand. "Jetzt geht es zum nächsten Spiel und ich denke, dass ich längerfristig an solchen Aufgaben wachse."