Ein Theater und davor viele Menschen

Hamburg Ernst Deutsch Theater: Intendanz-Wechsel mit behutsamen Akzenten

Stand: 16.05.2025 17:24 Uhr

Neustart im Hamburger Ernst Deutsch Theater an der Mundsburg - das größte deutsche private Sprechtheater bekommt nach 30 Jahren eine neue Leitung. Am Freitag hat die Doppelspitze ihr Programm ab September vorgestellt.

So sieht ein Generationswechsel aus: Auf der Bühne des Ernst Deutsch Theaters steht ein fahrbarer Kiosk mit Fruchtgummis, "weil wir das Gefühl hatten, so ein Ort, wie es ein Kiosk ist, wollen auch wir sein", sagt Daniel Schütter, der Sohn der bisherigen Intendantin Isabella Vértes-Schütter - zusammen mit Ayla Yeginer ist er Teil der neuen Doppelspitze. Sie trägt ihr Kind bei sich und nimmt lächelnd Platz. Die im Rechteck zusammengeschobenen Tische signalisieren: flache Hierarchie, Miteinander, Zuhören. Sympathisch.

"Stimmt so, Danke", heißt das Motto für den Neustart. Könnte als salopper Spruch beim Trinkgeldzahlen gemeint sein, meint aber vor allem, so Schütter, "dass es auch das Gefühl sein kann, wenn man für die Welt kämpft, die man errichten möchte, eine Welt, über die wir sagen können: 'Stimmt so, Danke, so darfs bleiben'. Deswegen haben wir gedacht, das passt."

Das ist neu: Ein festes Ensemble an einem Privattheater

In einem Eröffnungsvideo sieht man das Ensemble durch die Warenregale eines Kiosks toben. Das ist neu für dieses Theater und besonders für eine private Bühne überhaupt: elf Schauspielerinnen und Schauspieler im Fest-Engagement! "Da freuen wir uns total, man kann meiner Erfahrung nach auch in eine neue Produktion meistens schneller und angstfreier einsteigen, man kann direkter loslegen, man tanzt nicht so sehr auf rohen Eiern miteinander", sagt Yeginer.

Das Abo-System wird dadurch flexibler. Die Stücke werden nicht mehr hintereinander gespielt, sondern in Blöcken von vier bis fünf Vorstellungen. Das erlaubt es dem Publikum, Stücke über die Dauer der ganzen Spielzeit zu sehen: "Jetzt brauchen Stücke viel mehr Zeit zum Atmen, sie müssen sich in der Stadt rumsprechen", sagt Schütter, der sich auf die Zusammenarbeit mit Yeginer freut: "Ich glaube, Ayla und ich haben wahnsinnig viele Gemeinsamkeiten und verstehen uns recht blind, wir reden gerne über die Dinge und sind beide der Meinung, die beste Idee gewinnt, und wir suchen sie gemeinsam.

Indendanten-Duo vor und auf der Bühne aktiv

Beide sind auch auf und vor der Bühne aktiv: Während Yeginer zweimal selbst Regie führen wird, spielt Schütter im Ensemble mit. Die Stück-Auswahl ist eine Mischung aus Klassikern wie "Dantons Tod" oder der Komödie "Ein seltsames Paar", aber auch Stückbearbeitungen wie "Frankenstein" und Caroline Wahls Bestseller "Windstärke 17". Ein Stück beleuchtet Aufstiegschancen und wachsende Armut. Als Familienstücke gibt es den "Zauberer von Oz" und "Max und Moritz".

Inhaltlich ist es der Wunsch der neuen Intendanz, "die Menschen zu begeistern für das, was wir da tun, wenn alle Zuschauenden aus dem Theaterabend gehen mit einem neuen Gedanken, auf dem man von selbst nicht gekommen ist, das finde ich schön".

"Bundesjugendballett - John Neumeier" bleibt

Kontinuität verspricht die Weiterarbeit mit dem "Bundesjugendballett - John Neumeier" und die intensive Jugendarbeit mit mehreren Jugendclubs. Die Identität des Theaters mit seinen rund 3.000 Abonnentinnen und Abonnenten soll gewahrt bleiben, sagt Schütter: "Das Ernst Deutsch Theater ist ein Theater mit Haltung, ein Haus mit gesellschaftlichem Auftrag, und das soll es auch bleiben. Wir wollen ein Theater für viele Menschen sein."

Foyer wird Café und Begegnungsort

Für dieses offene Konzept steht auch die Idee, das Foyer des Traditionshauses an der Mundsburg ganztägig als Café, als Ort für Begegnung zu öffnen. Die bisherige Intendantin Isabella Vértes-Schütter wird übrigens Teil des festen Ensembles: "Ich freue mich und bin auch stolz, ich finde, es ist ne tolle Spielzeit, die die beiden vorgestellt haben, und mit ganz vielen wunderbaren Erweiterungen, es ist ein wunderbarer Tag heute."

Er verspricht einen Wechsel mit behutsamen inhaltlichen Akzenten - und einem strukturellen Paukenschlag. Ein privates Theater mit festem, auch sehr diversem Ensemble, das ist selten. Der Spielplan des neuen Teams wirkt wie eine kluge Mischung aus Unterhaltung und gesellschaftspolitischem Anspruch.

Dieses Thema im Programm:
NDR Kultur | Kulturjournal | 16.05.2025 | 19:00 Uhr