
Hamburg Kommentar: Kulturbehörde muss im Fall Demis Volpi handeln
Es knirscht gewaltig hinter den Kulissen des Hamburg Balletts. Fünf Erste Solistinnen und Solisten, alle Topstars, hatten gekündigt. Über die Hälfte des Ensembles schickte danach einen Brandbrief an die Kulturbehörde, erhob darin schwerwiegende Vorwürfe gegen den Intendanten Demis Volpi. Und auch aus Düsseldorf - bis zum Wechsel nach Hamburg war Volpi Chef beim Ballett am Rhein - kamen Stimmen, die von ähnlichen Erfahrungen mit dem 40-Jährigen berichten. Es ist Zeit zu handeln, meint Nastasja Müller.
Kann der Eindruck so täuschen? Das ist die Frage, die ich gerade häufig höre, wenn es um Demis Volpi, den Intendanten des Hamburg Balletts geht. Er ist smart, sympathisch, zugewandt, wirkt bescheiden in seinem Auftreten. Umso mehr erschüttert mich, was man nun von den Tänzerinnen und Tänzern aus Hamburg und auch von denen aus Düsseldorf hört, wo Volpi zuvor vier Jahre lang Chef des Balletts am Rhein war. Dort ist von einem "toxischen Arbeitsklima" die Rede, dass Volpis Tür immer offen stehe - aber, wenn man durchgehe und Kritik äußere, werde man nicht mehr besetzt, erniedrigt, gedemütigt.
Ein Hilferuf der Tänzer
"Konstruktives Feedback wurde häufig mit negativen Konsequenzen beantwortet" - so heißt es in dem Brief. Machtmissbrauch steht im Raum. Wie passt das also zusammen? Auf den ersten Blick gar nicht. Es scheint, als ob Volpi zwei Gesichter hat. Ich habe den Eindruck, dass die Not der Tänzerinnen und Tänzer ziemlich groß ist. Sich an die Kulturbehörde und die Öffentlichkeit zu wenden, ist ein Hilferuf.
Notfalls ein Verzicht auf die Karriere
In den langen und zahlreichen Interviews, die der NDR mit Tänzerinnen und Tänzern aus Hamburg und Düsseldorf geführt habt, spüre ich, wie schwer es Ihnen fällt, darüber zu sprechen, wie betroffen sie sind. Sie sind bereit, ihr Engagement aufzugeben, zu kündigen, obwohl sie auf der Spitze ihres Erfolgs stehen und zum Teil kein Anschluss-Engagement haben. In der Ballett-Welt ist es keine Selbstverständlichkeit, dass man sofort wieder Anschluss in einer anderen Kompanie findet. Die Karriere ist dann im Zweifel vorbei.
53 Personen haben sich aus der Deckung gewagt
Zählt man die Unterschriften der beiden Briefe aus Düsseldorf und Hamburg zusammen kommt man auf 53 Stimmen. Eine, wie ich finde, große Anzahl von Menschen, die sich aus der Deckung wagt, wenn auch in Teilen - anonym. Denn viele haben Angst um ihre Verträge. Und selbst, wenn man eventuell vorhandene persönliche Eitelkeiten oder eine "Neumeier-Wehmut" abzieht, bleibt eine immer noch wirklich große Anzahl von Tänzerinnen und Tänzern, die "Hilfe" rufen. Über künstlerische Qualität, eine neue Tanzsprache oder die Notwendigkeit, als Intendant bei jeder Probe dabei zu sein, lässt sich sicher streiten - darüber in einer Atmosphäre der Angst, der Demütigung und Erniedrigung zu arbeiten, nicht. Machtmissbrauch ist nicht zu tolerieren.
Der Imageschaden ist schon jetzt immens
Die Stadt hat Demis Volpi - mit Hilfe einer zehnköpfigen Findungskommission - in eine verantwortungsvolle, exponierte und machtvolle Position gebracht. Die Kulturbehörde bemüht sich nun um Gespräche, setzt Mediatoren ein. Man nehme die Vorwürfe sehr ernst, heißt es. Aber reicht das? Ich finde: nein. Die Vorwürfe, die jetzt im Raum stehen, lassen sich nicht einfach vom Tisch wischen - sie sind zu massiv. Der Imageschaden ist schon jetzt immens. Die Kulturbehörde ist jetzt in der Pflicht zu handeln. Ein paar Gespräche werden da nicht reichen. Denn das Vertrauen ist zerstört. Ich denke, dass Volpi ist in seiner Position als Intendant nicht mehr zu halten ist.
Dieses Thema im Programm:
NDR 90,3 | Kulturjournal | 16.05.2025 | 19:00 Uhr