
Hamburg Podcast "Feel Hamburg" mit Elbschlosskeller-Wirt Daniel Schmidt
Der Elbschlosskeller auf St. Pauli ist ein Mikrokosmos des Hamburger Nachtlebens, Zufluchtsort für Gestrandete, Schauplatz skurriler Geschichten – und das Revier von Daniel Schmidt, dem wohl bekanntesten Kneipenwirt der Hansestadt.
Die Geschichte vom kaputten Schloss machte deutschlandweit Schlagzeilen: Während des Corona-Lockdowns sollte auch der Elbschlosskeller schließen - doch das Schloss war verrostet, der Schlüssel längst verschwunden. "Der Schlüsseldienst hat sich halb totgelacht", erzählt Schmidt. "Nach 30 Jahren Schlosser-Karriere musste er zum ersten Mal nicht eine Tür aufmachen, sondern eine zuschließen." Heute ist das Schloss ein Exponat im Museum für Hamburgische Geschichte - ein Symbol für das Leben in der Kneipe, das einfach nie stillsteht.
Gewalt, Not, Eskalation - all das gehört zum Alltag von Daniel Schmidt. "Ich habe hier einige Hauereien gehabt, von Ohrfeigen bis zu richtig heftigen Schellen. Ich habe mich hier auch schon verletzt, wurde mit Messern angegriffen. Mir hat jemand eine scharfe Knarre an die Schläfe gehalten. Ich musste jemanden, der mich mit einem Schlachterbeil angegriffen hat, mit so einem Kneipentisch aus dem Laden rumsen." Trotzdem - oder vielleicht gerade deswegen - hat Daniel Schmidt nie ans Aufgeben gedacht. Der Elbschlosskeller ist sein Zuhause.
Familiärer Kiez, schwierige Kindheit
Die Liebe zum Nachtleben wurde ihm gewissermaßen in die Wiege gelegt: "Als Kind hatte ich schon eine abgefahrene Faszination für das ganze Nachtleben, die Unterwelt, alles, was mit Party zu tun hat. Mein Vater hat das davor ja schon gemacht. Mein Opa war hier schon ansässig." Doch die Herkunft prägte ihn auch auf schmerzhafte Weise. Aufgewachsen im gutbürgerlichen Sasel, musste Schmidt früh Ausgrenzung und Mobbing erleben - sogar von Lehrkräften. "Mein Vater kam zur Einschulung direkt aus der Nachtschicht, mit einer Narbe im Gesicht, einer Augenklappe und dieser 80er-Jahre-Zuhälter-Optik", erinnert er sich. "In dieser Aufmachung nach Kneipe riechend, mit Narbe auf der Fresse und diesem Augenpflaster ist er dann zur Feier gekommen, und das hieß ab dem ersten Tag: Alles klar, das ist der Bengel vom Kiez-Zuhälter."
Diese Kindheit im Spannungsfeld zwischen Kiez und Vorstadt hat ihn geprägt. Er fand seinen Platz dort, wo andere längst gegangen sind: im Elbschlosskeller, dem letzten offenen Tresen, wenn alle anderen Feierabend haben. "Wenn alles andere geschlossen hat, dann treffen sich hier die Leute, die immer noch nicht nach Hause wollen oder können."

Daniel Schmidt, Wirt des Elbschlosskellers, der "härtesten" Kneipe auf dem Kiez, hat ein Herz für Gestrandete auf St. Pauli.
Kneipe als soziale Institution
Doch Schmidt ist nicht nur Wirt, sondern auch Sozialarbeiter - informell, aber mit vollem Einsatz. 2020 gründete er den Verein "Wer, wenn nicht wir – Hamburg", um während der Pandemie Bedürftigen zu helfen. Seitdem sammelt er Spenden, organisiert Kleidung und Lebensmittel, stellt seine Räume zur Verfügung. "Hier im Billardzimmer haben auch Leute, die nichts haben, die Möglichkeit, mal ein bisschen auszuruhen oder sogar zu schlafen. Im Winter, wenn es richtig kalt ist, pennen hier bis zu fünf Leute." Es ist diese Mischung aus rauer Schale und weichem Kern, aus Kiezromantik und knallharter Realität, die Daniel Schmidt zu einer Symbolfigur des heutigen St. Pauli macht. Der Elbschlosskeller ist nicht nur Kneipe - er ist ein soziales Netz, ein Lebensraum für jene, die sonst durchs Raster fallen.
"Ich bin dadurch heute das, was ich bin"
Schmidt ist keiner, der sich als Held inszeniert. Aber er ist einer, der geblieben ist, als andere gegangen sind. "Ich hatte meine Phase, wo ich für mich entdecken wollte, wo mein Platz hier auf der Reeperbahn oder in der Männerwelt ist, die hab ich hier ganz schön ausgelebt. Ich habe mir hier ordentlich die Hörner abgestoßen und bin dadurch heute das, was ich bin." Der Elbschlosskeller ist ein Spiegel des Kiezes – laut, wild, unberechenbar. Und Daniel Schmidt ist sein Gesicht. Eines mit Narben, Lachfalten und einer Geschichte, die nicht romantisiert, sondern ehrlich erzählt, was es heißt, in dieser Stadt nicht unterzugehen, sondern für andere mit durchzuhalten.
Im Gespräch mit Daniel Kaiser verrät Daniel Schmidt auch, warum ihm sein christlicher Glaube bei der Bewältigung der vielen Herausforderungen hilft, wie sein Sohn Lennox über den Beruf des Vaters denkt und was er in seinen Büchern über das Leben auf dem Kiez offenbart.
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Dieses Thema im Programm:
NDR 90,3 | "Feel Hamburg" | 28.05.2025 | 20:00 Uhr