Nordrhein-Westfalen Messeranschlag von Solingen: Angeklagter gesteht die Tat
Im Prozess gegen Issa al H. wegen des Messeranschlags in Solingen hat der Angeklagte die Tat gestanden.
In einer Erklärung, die seine Verteidiger für ihn abgaben, räumte der Syrer den Messerangriff ein, bei dem drei Menschen starben. "Ich habe schwere Schuld auf mich geladen. Ich bin bereit, das Urteil entgegenzunehmen", hieß es in der Erklärung. Dem Angeklagten werden dreifacher Mord, zehnfacher versuchter Mord sowie gefährliche Körperverletzung und schwere Körperverletzung mit Heimtücke als Beweggrund vorgeworfen. Hinzu kommt die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland, so die Anklage. Issa al H. schwieg zur IS-Mitgliedschaft, die die Anklage mit dem Begehen der Tat als vollendet ansieht.
Der Generalbundesanwalt wirft al H. vor, Anhänger der Terrororganisation "Islamischer Staat" zu sein und in deren Namen einen Anschlag auf aus seiner Sicht "Ungläubige" begangen zu haben. Der Angeklagte soll im August 2024 auf dem Stadtfest in Solingen wahllos mit einem Messer auf Besucher eingestochen haben. In der Erklärung des Angeklagten hieß es dagegen, er habe Unschuldige getötet, keine Ungläubigen. Aus seiner Sicht seien Christen und Muslime Cousins und keine Feinde.
Verhandlung soll auch zu psychischer Heilung beitragen
Nebenklageanwalt Athanasios Antonakis erwartet eine Verurteilung auf Grundlage der Anklage: "Der Generalbundesanwalt hat nach unserer Ansicht eine gute und stichhaltige Anklage vorgelegt", sagte er dem WDR vor Prozessbeginn. Er vertritt zwei Nebenklägerinnen, Mutter und Tochter, die bei dem Angriff verletzt wurden, und einen weiteren Nebenkläger, der versucht hat, den Täter aufzuhalten. "Meine Mandanten erwarten, dass sich durch dieses Verfahren der Heilungsprozess verbessert", sagt er.
"Solingen feiert weiter"

Philipp Müller hatte das Fest im August mit organisiert
Auch Philipp Müller, der Mitorganisator des Festivals der Vielfalt in Solingen, ist zum Prozessbeginn gekommen. Er hatte das Stadtfest damals nach dem Angriff abgebrochen. Er sagte dem WDR vor Beginn der Verhandlung: "Wir feiern in Solingen weiter. Der Attentäter darf nicht mit seiner Absicht gewonnen haben, uns das zu verbieten." Deshalb sei er da, um sich den Täter selbst anzuschauen.
Prozessstart verzögerte sich
Aufgrund des großen Medieninteresses begann der Prozess mit Verspätung. Grund war die Sicherheitsschleuse am Oberlandesgericht in Düsseldorf. Bundesanwalt Jochen Weingarten verlas die Anklage und schilderte dabei noch einmal in genauer zeitlicher Abfolge und aller Detailtiefe den Ablauf der Tat sowie deren Vorbereitung.
Die Rekonstruktion des Tathergangs, die die Ermittler zusammengetragen haben, verdeutlicht die Brutalität und zielgerichtete Vorgehensweise: So habe der Täter meist von hinten attackiert und immer in den Hals gestochen, um seine Opfer möglichst schnell so sicher wie möglich zu töten.
Angeklagter saß mit gesenktem Kopf im Prozess

Issa al H. schaut die gesamte Zeit nach unten
Der Angeklagte, Issa al H., betrat im blauen Oberteil vor der Anklageverlesung den Gerichtssaal, eskortiert von vier Sicherheitsbeamten. Durch die Sicherheitsscheibe wechselte er kurz ein paar Worte mit seinem Vertrauensdolmetscher, bevor er Platz nahm. Von dort an saß er während der gesamten Verlesung mit gesenktem Kopf da und zeigt keine Regung. Nur seine Personalien bestätigte er ruhig und leise.
Schon 2019 mit IS beschäftigt
Laut Anklage habe al H. sich bereits seit 2019 für die Ideologie des IS interessiert und aufgrund dessen die freiheitliche Lebensweise westlicher Gesellschaften abgelehnt. Insbesondere wegen des militärischen Einsatzes der israelischen Armee im Gaza-Streifen 2023 habe er den Entschluss gefasst, als Vergeltung möglichst viele Repräsentanten der westlichen Gesellschaft zu töten.
Er habe im Vorfeld den Kontakt zu Anführern von IS-Netzwerken auf Telegram gesucht, die ihn in seinem Plan bestärkten und anleiteten. Voraussetzung dafür, dass der IS die Verantwortung für die Tat übernehme, sei ein Treue-Schwur auf den Kalifen gewesen, den al H. auch zweimal geleistet habe. Noch am Tattag selbst habe der IS dann bekannt gegeben, die Tat sei von einem ihrer "Soldaten" begangen worden.
Ein Opfer wehrte sich
In einem Video soll der Angeklagte bei seinen Eltern um Verzeihung gebeten haben. Er habe dann am Tattag auf dem Fronhof begonnen, hinterrücks auf Menschen einzustechen und sich dabei durch die Menge bewegt. Die gesamte Tat habe nur etwa eine Minute gedauert. Die Absicht sei gewesen, so viele Menschen wie möglich zu töten.
Davor habe er mehrfach "Allahu Akbar" gerufen. Die meisten seiner Opfer hätten den Angreifer nicht bemerkt. Erst sehr spät habe sich ein Angegriffener in einem längeren Kampf wehren können.
Mögliches Strafmaß noch unklar
Aus Sicht der Bundesanwaltschaft kommt eine anschließende Sicherheitsverwahrung infrage. Der vorsitzende Richter erklärte, im Falle einer Verurteilung zu lebenslanger Haft könne gegebenenfalls eine besondere Schwere der Schuld festgestellt werden.
Für den Prozess sind insgesamt 22 Verhandlungstage angesetzt, bis zum 24. September. Es sollen 50 Zeugen vernommen werden. Es gibt 12 Nebenkläger, darunter Verletzte und Angehörige der Getöteten.
Unsere Quellen:
- Oberlandesgericht Düsseldorf
- Generalbundesanwalt
- Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf
- Reporter vor Ort im Gericht
Hinweis der Redaktion: Wir bezeichnen in der Berichterstattung Issa al H. nicht mehr als mutmaßlichen Täter, sondern als Täter. Dieses Vorgehen sehen wir angesichts des heutigen Geständnisses und weiterer Kriterien durch den Pressekodex gedeckt:
Ziffer 13.1 Pressekodex : "Die Presse darf eine Person als Täter bezeichnen, wenn sie ein Geständnis abgelegt hat und zudem Beweise gegen sie vorliegen oder wenn sie die Tat unter den Augen der Öffentlichkeit begangen hat."