Montage: NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder mit Schaufeln vor einem Bild von Sozialwohnungen

Nordrhein-Westfalen Rekordsummen und Rotstift: Wie NRW und Bayern im Wohnungsbau vorankommen

Stand: 23.05.2025 12:59 Uhr

Sozialer Wohnraum bleibt knapp: In NRW und Bayern schrumpft der Bestand. Eine Lösung ist nicht in Sicht - trotz Milliardenausgaben.

Von Rainer Striewski, Arne Wilsdorff (BR)

Wohnen wird für viele Menschen immer teurer. Vor allem in Großstädten geht bei einkommensschwachen Personen ein erheblicher Teil des Gehalts für die Miete drauf. Das hat jüngst wieder der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in seinem Jahresgutachten 2024/25 festgehalten.

Ein Ausweg könnten Sozialwohnungen sein. Hier fördert der Staat den Bau finanziell, macht dafür aber auch Vorgaben: Mieten und Mieterhöhungen dürfen etwa bestimmte Grenzen nicht überschreiten, Eigenbedarfskündigungen sind ausgeschlossen. Und einziehen darf hier nur, wer über relativ wenig Einkommen und einen Wohnberechtigungsschein (WBS) verfügt. Diese Vorgaben (Bindungen) gelten meist zwischen 25 und 30 Jahre lang.

In Köln gibt es rund 40.000 Sozialwohnungen - zu wenig.

Der Bestand an Sozialwohnungen nimmt in NRW & Bayern ab.

Für Mieter sind Sozialwohnungen dadurch attraktiv, da günstiger. Und auf den ersten Blick steht NRW hier auch gut da, viel besser als beispielsweise Bayern. Der Freistaat kommt zusammengerechnet nur auf 134.793 Sozialwohnungen, NRW auf mehr als dreimal so viele. Bei genauerer Betrachtung aber ähneln sich die Probleme: In beiden Ländern schrumpft der Bestand.

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Die Ausgangslage

NRW verfügt derzeit über 426.775 Sozialwohnungen. Das klingt nach viel, ist aber nur noch die Hälfte des Bestandes von 2003 - Tendenz weiter sinkend. Denn viele Sozialwohnungen stammen noch aus den 1990er-Jahren, ihre Sozialbindung läuft in den kommenden Jahren aus. Derzeit verlieren in NRW jährlich rund 15.000 Sozialwohnungen ihre Mietpreisbindung. Dann werden sie meist deutlich teurer. Bis zum Jahr 2030 verlieren nach Berechnungen der NRW-Bank insgesamt 160.000 Wohnungen ihre Bindung. Es bräuchte in NRW also knapp 24.000 neue Sozialwohnungen pro Jahr, nur um das heutige Niveau zu halten.

In Bayern sind die Zahlen niedriger, sowohl was Bestand als auch Verlust angeht - aber dadurch nicht weniger dramatisch. Hier fallen jährlich gut 3.000 Wohnungen aus der Sozialbindung. Nach früheren Angaben der Landesregierung sollten es bis 2030 rund 29.000 Wohnungen sein. Die Landesregierung korrigierte die Zahl nun jedoch auf 25.877. Im Freistaat gibt‘s derzeit aber auch nur 134.793 Sozialwohnungen. Dabei steigt der Bedarf deutlich: Laut einer aktuellen Studie des Pestel-Instituts werden in Bayern im Jahr 2030 ungefähr 320.000 Sozialwohnungen benötigt.

Beide Länder müssten Jahr für Jahr also hohe Neubauzahlen stemmen, allein um den Status quo zu sichern - vom Schließen der historischen Unterversorgung ganz zu schweigen.

Historische Unterschiede

Dass NRW und Bayern mit Sozialwohnungen so unterschiedlich versorgt sind, ist historisch bedingt und zeigt sich in der Siedlungsstruktur. Im Industrieland NRW lebten im Jahr 2020 etwa 46 Prozent der Bevölkerung in Großstädten, im Flächenland Bayern nur 22,5 Prozent. Der Bedarf an Sozialwohnungen ist in Großstädten grundsätzlich größer. NRW mit 18 Millionen Einwohnern hat davon 30, Bayern mit seinen 13 Millionen Bürgern nur acht. Dadurch kommen rechnerisch im Freistaat ca. 99 Einwohner auf eine Sozialwohnung, in Nordrhein-Westfalen nur ca. 43 Personen.

So macht‘s NRW: großes Programm, schlanke Konditionen

Nordrhein-Westfalen bündelt seine Förderung in der "Förderrichtlinie Öffentliches Wohnen". Kernelement ist hier ein zinsloses Grunddarlehen. Die Bindungsdauer beträgt 25 oder 30 Jahre. Neu hinzugekommen ist ein landesweites Programm zum Ankauf auslaufender Belegungsbindungen.

Die Mittel für geförderten Wohnungsbau kletterten hier in den letzten Jahren (zusammen mit Geld vom Bund) von 800 Millionen Euro im Jahr 2013 auf 2,7 Milliarden Euro im Jahr 2024. Davon entfallen 1,59 Milliarden Euro auf die Förderung von Mietsozialwohnungen und Wohnheimplätzen. 

So macht‘s Bayern: Baukasten statt Einheitsmodell

Der Freistaat geht einen anderen Weg. Seine Einkommensorientierte und Aufwendungsorientierte Förderung (EOF und AOF) kombinieren Zinsdarlehen mit unterschiedlichen Zuschüssen, je nach Laufzeit der Sozialbindung. Teilweise werden auch Mieten bezuschusst. Das bayerische Fördersystem versucht sehr zielgenau zu sein, ist aber kompliziert. Außerdem gibt es im Freistaat - im Gegensatz zu NRW - drei staatliche Wohnungsbaugesellschaften, die selbst als Bauherren auftreten.

Auch in Bayern sind die Fördermittel in den letzten Jahren deutlich gestiegen - allerdings nicht so stark wie in NRW. Zusammen mit Bundesmitteln stellte der Freistaat im Jahr 2013 nur 230 Millionen Euro bereit, davon 130 Millionen für die Förderung von Mietwohnungen. Aktuell sind‘s ca. 1,2 Milliarden Euro. Doch laut Landesregierung ist das Budget für 2025 bereits ausgeschöpft. Kommunale Wohnungsgesellschaften und Genossenschaften schlagen deshalb schon länger Alarm, bereits genehmigte Projekte liegen auf Eis.

Bilanz 2024: Zahlen bleiben weit hinter dem Bedarf

Und die Erfolge? NRW bewilligte 2024 insgesamt 12.847 geförderte Wohneinheiten. Zieht man Modernisierungen, Eigentumsförderung und Bindungsverlängerungen ab, bleiben 6.726 neu gebaute Sozialmietwohnungen - exakt so viele wie 2023. Bayern meldet 13.600 geförderte Einheiten über alle Programme hinweg, darunter befanden sich 3.100 neu bewilligte sozial gebundene Mietwohnungen.

Mitte der 80er Jahre gab es allein in Westdeutschland noch vier Millionen Sozialwohnungen, heute sind es in ganz Deutschland nur noch eine Million. NRW liegt hier mit einem Anteil von 40 Prozent deutlich vor Bayern mit 13 Prozent. 

"In den 2000er-Jahren prägten in vielen Wohnungsteilmärkten demografischer Wandel, Wohnungsleerstände und schrumpfende Städte das Bild, in Konsequenz dazu sank die Bedeutung von Wohnraum insgesamt ab", erklärt der VdW Rheinland Westfalen, der größte Regionalverband der sozial orientierten Wohnungswirtschaft in Deutschland. "Erst seit Mitte der 2010er-Jahre, insbesondere ab 2015, zeigen sich infolge von Zuwanderung oder Urbanisierung wieder zunehmend angespannte Wohnungsmärkte, vor allem in den Ballungsräumen."

Warum entstehen so wenige neue Sozialwohnungen?

Die Gründe für zu wenig Sozialwohnungen sind vielfältig: Da sind einerseits hohe Baukosten und Zinsen. Andererseits führen knappe, immer teurere Grundstücke und hohe Auflagen zu geringen Renditeerwartungen. Die NRW-Landesregierung spricht zwar von einen anhaltenden "Förderboom". Die NRW-Bank räumt aber ein, dass Investoren zunehmend vorsichtig kalkulieren.

In Bayern ist zwar der hohe Zuschussanteil für Investoren attraktiver als die reine Kreditförderung in NRW. Doch die langen Bindungsfristen von bis zu 55 Jahren schrecken in Bayern private Bauträger ab.

Ausblick: Mehr Geld allein genügt nicht

Neben mehr Fördermitteln setzen beide Länder auf unterschiedliche Konzepte: NRW auf einfache Zinskonditionen und vermehrten Bindungsankauf, Bayern auf verschiedene Zins- und Zuschusspakete und die staatseigenen Baugesellschaften. Doch solange Baukosten hoch bleiben und Gelder - wie in Bayern - nicht kontinuierlich fließen, geraten die jeweiligen Programme an ihre Grenzen.

Die Sozialwohnungskrise lässt sich nicht allein durch die Ländermodelle lösen. Ohne zusätzliche Bundesmittel, schnellere Planungsprozesse und kostensenkende Baustandards droht der soziale Wohnungsbau im Westen wie im Süden weiter hinter den Bedürfnissen seiner Bürger zurückzubleiben.

Dieser Text entstand im Rahmen einer Kooperation der landespolitischen Redaktionen von WDR und BR.

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