Frau mit einem roten Handabdruck über dem Gesicht (Symbolbild)

Nordrhein-Westfalen Schützen Fußfesseln für Täter Frauen vor Gewalt?

Stand: 31.05.2025 17:54 Uhr

Zum Schutz vor Gewalt gegen Frauen will Bundesjustizministerin Stefanie Hubig jetzt Druck machen und bundesweit eine besondere elektronische Fußfessel für Gewalttäter einführen. Die löst auch beim potenziellen Opfer einen Alarm aus, wenn der Täter ihm zu nahe kommt.

Von Katja Goebel

Alle drei Minuten erlebt eine Frau oder ein Mädchen in Deutschland häusliche Gewalt. Frauen werden von Partnern oder Ex-Freunden schwer verletzt, geschlagen, bedroht, verfolgt, sexuell genötigt oder getötet. Allein in NRW starben in dem Jahr durch häusliche Gewalt laut Kriminalstatistik 51 Menschen.

Stefanie Hubig im Porträt

Neue Justizministerin: Stefanie Hubig

Die neue Bundesjustizministerin Stefanie Hubig will das Thema jetzt angehen, um Frauen stärker vor Gewalt von Partnern und Ex-Partnern zu schützen. "Das Ausmaß häuslicher Gewalt in Deutschland ist erschreckend", sagte die SPD-Politikerin der "Rheinischen Post".

Als Gegenmaßnahme sollen Familiengerichte künftig elektronische Fußfesseln anordnen können. In Deutschland wird nun also auch auf Bundesebene über eine solche Regelung beraten. Hubig kündigte einen Gesetzesentwurf noch für dieses Jahr an.

Was sind elektronische Fußfesseln nach spanischem Modell?

Mit einer elektronischen Fußfessel trägt der Täter einen Sender, der kontinuierlich Signale an eine Überwachungszentrale sendet, um den Aufenthaltsort des Trägers in Echtzeit zu verfolgen.

Fußfessel an einem Bein

Das spanische Modell der elektronischen Fußfessel

Vorbild für weitreichendere Technik ist Spanien. Dort kann seit 2009 neben dem Täter auch das potenzielle Opfer freiwillig mit einem Tracker ausgestattet werden - mit einem Armband ähnlich einer Smartwatch. Dadurch werden nicht nur der Standort des Gefährders und bestimmte Sperrzonen überwacht.

Das System schlägt auch dann Alarm, wenn sich der Überwachte absichtlich oder unabsichtlich außerhalb der Sperrzonen einer gefährdeten Person nähert. Mithilfe von GPS-Empfängern, wird so die Distanz zwischen beiden überwacht. Die Frau kann selbst sehen, wie nah ihr der Mann möglicherweise ist. Sie kann den Ort verlassen oder die Polizei informieren.

Beispiel Zufallsbegegnung: Ein Täter darf zu einer bestimmten Uhrzeit ein Einkaufszentrum betreten. Tut er dies, würde zunächst kein Alarm bei der Polizei eingehen. Hat er aber ein Verbot, sich auf hundert Metern seiner Frau zu nähern und ist diese Frau zufällig zur selben Zeit auch im Einkaufszentrum, wird sie gewarnt.

Zahl der Femizide gesenkt

Seit Einführung der elektronischen Fußfessel zur Überwachung von gewalttätigen Männern in Spanien sank die Zahl der Femizide in dem Land. Unter den fast 13.000 überwachten Fällen gab es in Spanien in den vergangenen 13 Jahren keine Femizide mehr.

Als Femizide werden Gewaltverbrechen bezeichnet, bei denen Frauen aufgrund ihres Geschlechts getötet werden. Als häufigste Form gilt die Tötung durch Partner oder Ex-Partner.

Fußfessel auch in NRW im Einsatz

Nach Sachsen und Hessen nutzen auch die Sicherheitsbehörden in Nordrhein-Westfalen die elektronische Fußfessel nach dem sogenannten "spanischen Modell" - bislang zumindest in einem Fall. Seit März 2025 kommt die Technik bei einem Straftäter zum Einsatz, der eine langjährige Freiheitsstrafe verbüßt hat. Ein Gericht in NRW ordnete laut Justizministerium die elektronische Aufenthaltsüberwachung an, weil es konkrete Hinweise dafür sah, dass der Entlassene Rachegedanken hegen und erneut Kontakt zu der Opferfamilie suchen könnte.

Anwältin: "Gewaltfreies Leben darf keine Utopie sein"

Anwältin Asha Hedayati

Engagiert sich für Betroffene: Anwältin Asha Hedayati

Während Hilfsorganisationen wie der "Weiße Ring" schon lange den Einsatz solcher Fußfesseln fordern, betonen andere, dass die Technik nur ein Baustein von vielen sein sollte. "Wir müssen deutlich früher ansetzen", sagt Asha Hedayati, Rechtsanwältin für Familienrecht. "Wir müssen uns anschauen, welche Strukturen in der Gesellschaft dazu führen, dass diese männliche Gewalt begünstigt wird." Es sei zu einfach, ausschließlich die Fußfessel als Maßnahme zu präsentieren.

Wenn wir nicht bei den Vorstufen der Gewalt ansetzen, dann werden wir auch mit einer Fußfessel nicht Femizide verhindern können

Asha Hedayati, Rechtsanwältin für Familienrecht

Das spanische Modell umfasse außerdem sehr viel mehr als die Fußfessel, erklärt Juristin Hedayati. Es sei viel breiter gefasst mit vielen verschiedenen Maßnahmen nebeneinander. "Sie haben Gleichstellung und Geschlechtergerechtigkeit als Fach in der Schule eingeführt und sie haben spezialisierte Gerichte. Richter und Richterinnen werden zum Thema häusliche Gewalt fortgebildet. Das fehlt uns alles. Das sind Forderungen, die schon seit Jahrzehnten im Raum stehen und die immer wieder abgelehnt werden."

Gewalt gegen Frauen sei ein gesamtgesellschaftliches System. Viele betroffen Frauen lebten in Verhältnissen von Abhängigkeit. "Das heißt, sie können sich nur ganz schwer aus Partnerschaften lösen, ohne zu verarmen." Es ginge auch darum, dass Betroffene gar keinen Wohnraum finden und sich nicht mehr räumlich trennen können.

Das sind Strukturen, die die Gewalt begünstigen.

Juristin Asha Hedayati

Deshalb sei die Schaffung neuer Frauenhäuser so wichtig. Bundesweit fehlten 14.000 Plätze.

Frauenhäuser in NRW: Es fehlen über 1.000 Plätze

Um sich vor der Gewalt zu schützen, sind Frauenhäuser für viele Frauen oft die einzige Zuflucht. Frauenhäuser sind soziale Einrichtungen, in der Frauen und auch ihre Kinder vorübergehend eine geschützte Unterkunft finden. Sie bieten außerdem Beratung und Begleitung – zu jeder Tages- und Nachtzeit. Aber: Frauenhäuser in Deutschland sind chronisch überbelegt. Auch in NRW gibt es in den bestehenden Frauenhäusern viel zu wenig Plätze - sowohl bei der Beratung als auch bei der Unterbringung. Gerade einmal rund 70 vom Land geförderte Frauenhäuser stehen in NRW. Es fehlen schätzungsweise 1.200 Plätze.

Hilfetelefon rund um die Uhr erreichbar

Besonders einfach soll es für Betroffene sein, zunächst telefonische Beratung in Anspruch zu nehmen. Dafür gibt es zum Beispiel zu jeder Uhrzeit das "Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen" unter der Nummer 116016. Gut zu wissen: Der Anruf ist kostenlos, und die Nummer erscheint nicht auf der Telefonabrechnung. Die Beratung erfolgt vertraulich, auf Wunsch anonym und ist in 18 Fremdsprachen möglich. Es gibt auch Beratung per Chat, zum Beispiel über die Website www.hilfetelefon.de - allerdings nur auf Deutsch.

Außerdem gibt es persönliche Beratung. Welche Angebote Betroffene in ihrer Nähe finden können, lässt sich zum Beispiel über die Online-Suche des Dachverbandes der autonomen Frauenberatungsstellen NRW herausfinden.

Unsere Quellen:

  • Justizministerium NRW
  • Statistik des Bundeskriminalamtes
  • Interview mit Rechtanwältin Asha Hedayati
  • Nachrichtenagentur dpa
  • Weißer Ring - Hilfsorganisation für Kriminalitätsopfer

Über dieses Thema berichten wir am 31.5.2025 auch in der Aktuellen Stunde im WDR Fernsehen.