
Russland-Sanktionen Warum die EU sorgenvoll auf China und die USA schaut
Ein vertrauliches Papier aus dem Auswärtigen Amt zeigt, was mit den Russland-Sanktionen bislang erreicht wurde und wo es weiterhin Schwierigkeiten gibt. Ein Problem: China, ein anderes: die USA.
Johann Wadephul ließ kaum einen Zweifel gelten: "Es wird finanziell schmerzhaft werden für Russland", sagte der neue Außenminister am Sonntagabend in der ARD. Er kündigte neue Sanktionen gegen Russland an, denn die Führung in Moskau habe bislang nicht ernsthaft auf die Angebote von Friedensverhandlungen mit der Ukraine reagiert, sondern das Land in den vergangenen Tagen wieder verstärkt mit Drohnen und Raketen angegriffen. "Es wird eine klare Reaktion des Westens geben und ich denke auch von den Vereinigten Staaten von Amerika", so Wadephul.
Gerade erst hat die Europäische Union das 17. Sanktionspaket gegen Russland beschlossen. Wie wirksam aber sind die westlichen Sanktionen bislang, welche Maßnahmen könnten noch verhängt werden und wird die Trump-Administration tatsächlich neue Russland-Sanktionen beschließen?
NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung (SZ) liegt ein interner Bericht des Auswärtigen Amtes vor. Es ist die Zusammenfassung einer Sitzung des EU-Rates für Auswärtige Angelegenheiten, die am 20. Mai in Brüssel stattfand. Dabei wurden weitere Sanktionsmöglichkeiten, bisherige Erfolge und Defizite besprochen. An der nicht-öffentlichen Sitzung nahmen ranghohe Beamte teil, darunter der EU-Sanktionsbeauftragte David O'Sullivan und Daniel Markic, Direktor der EU-Geheimdienstkoordinierungsstelle INTCEN.
EU-Sanktionsbeauftragter sieht erhebliche Auswirkungen
O'Sullivan und Markic betonten laut Bericht, die Sanktionen hätten erhebliche Auswirkungen auf die russische Volkswirtschaft. Die EU habe einige Erfolge in Bezug auf die Ausfuhr von kriegsrelevanten Gütern über Drittstaaten erzielt, insbesondere mit Blick auf Staaten wie Armenien, Serbien, Usbekistan und Indien.
Allerdings gebe es weiter Schwierigkeiten mit Kasachstan, den Vereinigten Arabischen Emiraten und der Türkei. Die Vereinigten Arabischen Emirate würden zwar angeben, dass Ausfuhren gestoppt worden seien, legten jedoch keine Statistiken vor. Die Einfuhrdaten ließen eher andere Schlüsse zu.
China, einschließlich Hongkong, so trug der EU-Sanktionsbeauftragte O'Sullivan vergangene Woche in Brüssel vor, sei für "ca. 80 % der Umgehungen verantwortlich" und leugne dies weiterhin. Zudem seien Unternehmen aus der EU involviert, was die Position der EU-Kommission bei Gesprächen mit Drittstaaten zu Sanktionen schwäche. Die chinesische Botschaft in Berlin wollte sich auf Anfrage nicht zu den Vorwürfen äußern.
Mangelhafte Sanktionen gegen China
Der Direktor des ukrainischen Auslandsgeheimdienstes, Oleh Ivashchenko, teilte am Montag mit, dass China russische Rüstungsbetriebe weiterhin mit zahlreichen wichtigen Gütern versorge: "Es gibt Informationen, dass China Werkzeugmaschinen, spezielle chemische Produkte, Schießpulver und Komponenten an Rüstungsunternehmen liefert." Sein Dienst habe Daten zu 20 russischen Fabriken, die mit entsprechenden Gütern versorgt würden.
Bereits im Dezember 2024 reagierte die EU auf die mutmaßliche Unterstützung für Russland aus China: Im Zuge des 15. Sanktionspakets wurden damals sieben chinesische Firmen und Einzelpersonen sanktioniert. Konkrete Zahlen zu Umfang und Routen der Umgehung legte die EU bislang allerdings nicht vor.
"Robust" gegen Schattenflotte vorgehen
Einige Erfolge habe die EU mit den Sanktionen gegen die sogenannte Schattenflotte erreicht, wurde in der Sitzung des EU-Rates für Auswärtige Angelegenheiten berichtet. Mehrere Staaten, in denen diese Tanker und Frachter registriert seien, hätten nach der Initiative der EU den Schiffen die Beflaggung entzogen, so der Sanktionsbeauftragte O´Sullivan.
Er forderte die EU-Mitgliedsstaaten zu einem "robusten Vorgehen gegen die gesamte Schattenflotte" auf und regte an, Maßnahmen gegen Häfen zu prüfen, die von den Schiffen häufiger angelaufen werden, solche befänden sich etwa in der Türkei, in Indien und in Malaysia.
Aus dem Auswärtigen Amt hieß es, dass Maßnahmen gegen die Schattenflotte für die Bundesregierung eine hohe Priorität genießen. Bereits jetzt bestehe die Möglichkeit, neben Schiffen auch Häfen und Schleusen zu listen, diese Maßnahmen seien bisher aber auf Russland begrenzt. Gemeinsam mit Deutschlands Partnern prüfe man fortlaufend die Fortentwicklung der Sanktionsmaßnahmen.
Die nächsten Sanktionsmaßnahmen der EU, so heißt es in dem Papier, zielten wohl auf den russischen Energie- und Bankensektor. Einzig Ungarn lehne dies ab und zeige erneut "keinerlei Kompromissbereitschaft", so notierte es das deutsche Außenministerium.
"Abbruch aller Gesprächskanäle mit der US-Seite"
Auf Unterstützung aus Washington könne die EU bei der Bekämpfung von Sanktionsumgehungen wohl nicht mehr hoffen, so das Fazit des Papiers aus: Nach Angaben des EU-Sanktionsbeauftragten sei es zum "Abbruch aller Gesprächskanäle mit der US-Seite zu Sanktionsumgehungen" gekommen. Es finde daher "kein gemeinsamer Outreach" mehr statt. Auch die G7-Kooperation habe in dieser Hinsicht "an Schwung verloren".
Nur wenige Tage nach der Amtsübernahme von Donald Trump hatte das US-Justizministerium die Task Force "KleptoCapture" aufgelöst. Sie war im März 2022 nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine gegründet worden, mit dem Ziel das Vermögen russischer Oligarchen aufzuspüren. Im Zuge der Ermittlungen wurden Immobilien, Grundstücke, Privatflugzeuge und Luxusjachten beschlagnahmt.
Es gab zudem einen regelmäßigen Austausch zwischen US-amerikanischen und europäischen Finanzermittlern, um weiteres russisches Vermögen ausfindig zu machen. Seit einigen Wochen allerdings, so heißt es aus EU-Kreisen, finde ein solcher Austausch nicht mehr statt. Die US-Seite liefere keine entsprechenden Informationen mehr.
"Russland muss dieses Blutbad beenden"
US-Präsident Trump zeigte sich zuletzt jedoch enttäuscht über Russlands Präsident Wladimir Putin und die anhaltenden Angriffe auf die Ukraine. "Ich bin nicht glücklich mit dem, was Putin macht", sagte Trump am Sonntag vor Journalisten. Er wisse nicht, "was zur Hölle" mit Putin passiert sei. Auf Nachfrage, ob er auch Sanktionen gegen Russland in Erwägung ziehe, sagte Trump: "Absolut, er tötet viele Menschen, ich weiß nicht, was mit ihm nicht in Ordnung ist."
Im US-Senat haben rund 80 Senatoren von Republikanern und Demokraten einen Gesetzesentwurf vorbereitet, der ein neues Sanktionspaket gegen Russland vorsieht. Eine solche Initiative, angestoßen vom Republikaner Lindsay Graham und dem Demokraten Richard Blumenthal, würde wohl eine parteiübergreifende Mehrheit erzielen. "Russland ist der Aggressor. Russland muss dieses Blutbad beenden", so Graham.