
Hans-Böckler-Stiftung Wochenarbeitszeit ermöglicht Zwölf-Stunden-Tage
Die Bundesregierung will Unternehmen die Umstellung auf eine Wochenarbeitszeit ermöglichen. Dies könnte laut Hans-Böckler-Stiftung zu Arbeitstagen von bis zu zwölf Stunden und 15 Minuten führen.
Die geplante Umstellung auf eine Wochenarbeitszeit könnte dazu führen, dass Arbeitstage bis zu zwölf Stunden und 15 Minuten dauern. Das hat eine Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung ergeben. Die Folgen wären Gesundheitsrisiken, mehr Krankheitstage und mehr Druck auf Familien, warnt eine Analyse des Hugo Sinzheimer Instituts für Arbeitsrecht (HSI) der Stiftung. Die Neuerung könnte "wirtschaftlich sogar kontraproduktiv wirken".
Laut Koalitionsvertrag will die Bundesregierung die Möglichkeit "einer wöchentlichen anstatt einer täglichen Höchstarbeitszeit schaffen". Dabei sollen "die geltenden Ruhezeitregelungen beibehalten" werden. Somit müssen zwischen zwei Schichten mindestens elf Stunden liegen. Zudem seien während der Arbeitszeit 45 Minuten Pause einzuplanen, rechnen die HSI-Experten vor. Daraus ergibt sich die Option eines Arbeitstags von mehr als zwölf Stunden.
Die Gewerkschaften laufen seit Wochen Sturm gegen den Abschied vom seit 1918 üblichen Acht-Stunden-Tag - während Arbeitgeberverbände dies für einen flexibleren Arbeitsmarkt seit langem fordern. DGB-Chefin Yasmin Fahimi erneuerte in der Rheinischen Post ihre Kritik: "Es geht wohl eher darum, rechtlich fragwürdige Geschäftsmodelle zu legalisieren, wie regelmäßige Zwölf-Stunden-Schichten bei Subunternehmern im Paketdienst oder die fehlenden Ruhezeiten im Hotel- und Gastgewerbe." Die HSI-Analyse trägt nun die Argumente gegen die Koalitionspläne zusammen.
Warnung vor gesundheitlichen Risiken
"Arbeitsmedizinisch ist längst erwiesen, dass Arbeitszeiten von mehr als acht Stunden die Gesundheit gefährden", heißt es in dem Papier. Langfristig komme es häufiger zu stressbedingten und psychischen Leiden, die wiederum Grund für Fehlzeiten und vorzeitigem Ausscheiden aus dem Arbeitsleben seien. Auch das Unfallrisiko steige ab der achten Arbeitsstunde - sowohl am Arbeitsplatz als auch bei der anschließenden Fahrt nach Hause.
Im Koalitionsvertrag ist allerdings festgehalten, dass "die hohen Standards im Arbeitsschutz" beibehalten würden. Und: "Kein Beschäftigter darf gegen seinen Willen zu höherer Arbeitszeit gezwungen werden." Im Koalitionsvertrag heißt es auch, die Neuerung wäre "auch und gerade im Sinne einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf".
Die HSI-Analyse widerspricht: "Die Vorhersehbarkeit und Planbarkeit von Arbeitszeiten stellen wichtige Schlüsselfaktoren für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie dar. Es droht der Effekt einer weiteren Verringerung der Erwerbsarbeit gerade bei Frauen."
Zehn Stunden bereits rechtlich möglich
Die HSI-Fachleute führen zudem an, das geltende Recht sei bereits flexibel und erlaube - unter bestimmten Bedingungen - Arbeitstage von bis zu zehn Stunden. Im Übrigen habe das Arbeitszeitvolumen von abhängig Beschäftigten in Deutschland 2023 mit 54,59 Milliarden Stunden deutlich über dem Niveau von 52,2 Milliarden Stunden im Jahr 1991 gelegen.
Das HSI räumt aber unter Berufung auf Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung ein: "Die durchschnittlich geleistete Arbeitszeit der Beschäftigten lag laut IAB 1991 noch bei rund 1.478 Stunden und im Jahr 2023 bei 1.295 Stunden." Der Grund: Knapp ein Drittel der Beschäftigten arbeitete 2023 in Teilzeit. Daraus ergebe sich eine im europäischen Vergleich geringe durchschnittlichen Arbeitszeit aller Beschäftigten von 34,7 Stunden pro Woche. "An diesen Zusammenhängen würde eine Aufweichung des Arbeitszeitgesetzes nichts verbessern, im Gegenteil", meinen HSI-Autoren.