
Strafprozess in Braunschweig Frühere VW-Manager in Dieselaffäre zu Haft verurteilt
Im Prozess um manipulierte Abgastests bei VW hat das Landgericht Braunschweig zwei ehemalige Führungskräfte zu Haftstrafen verurteilt. Zwei Ex-Mitarbeiter bekamen Bewährungsstrafen. Das Verfahren gegen Ex-Konzernchef Winterkorn wurde abgetrennt.
Im Strafprozess zur Dieselaffäre sind vier frühere Führungskräfte von Volkswagen wegen Betrugs schuldig gesprochen worden. Wie die Nachrichtenagentur dpa berichtet, verurteilte die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Braunschweig zwei Angeklagte zu mehrjährigen Haftstrafen, zwei Ex-Mitarbeiter erhielten Bewährungsstrafen. Ex-VW-Chef Martin Winterkorn ist in diesem Verfahren nicht angeklagt.
Ein ehemaliger Leiter der Dieselmotoren-Entwicklung muss für viereinhalb Jahre ins Gefängnis. Zwei Jahre und sieben Monate Haft bekam der frühere Leiter der Antriebselektronik. Der ranghöchste Angeklagte, ein Ex-Entwicklungsvorstand der Marke Volkswagen, erhielt ein Jahr und drei Monate auf Bewährung. Ein ehemaliger Abteilungsleiter wurde zu einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung verurteilt.
Während die vier Männer aus Sicht der Staatsanwaltschaft des Betrugs überführt sind, sehen sie sich eher als Bauernopfer. Zum Ende des Prozesses wiederholten sie auch ihre Verwunderung darüber, dass Ermittlungen gegen andere Betroffene eingestellt wurden. Dabei schwingt der Vorwurf mit, dass sich einige Beschuldigte mit Gefälligkeitsaussagen bei den Ermittlern aus der Verantwortung stehlen konnten.
Richter: Nicht nur die Verurteilten verantwortlich
Auch nach Überzeugung des Gerichts tragen nicht nur die vier verurteilten früheren Führungskräfte die Verantwortung für den Dieselskandal. Die betroffenen Motoren seien von einer Vielzahl von Personen entwickelt worden, sagte der Vorsitzende Richter Christian Schütz. Nach Überzeugung der Wirtschaftsstrafkammer gebe es weitere Involvierte mit Schlüsselrollen, die teils gar nicht angeklagt seien.
Direkt zu Beginn seiner Urteilsbegründung machte der Richter klar, dass er mit einigen Zeugenaussagen während des Prozesses überhaupt nicht einverstanden war. Zeugen hätten vorsätzlich unzutreffende oder ungenaue Angaben gemacht, da sie teilweise selbst Beteiligte seien.
Verteidigung will in Revision gehen
Die Verteidigung kündigte an, Revision einlegen zu wollen. "Das Urteil ist falsch", sagte Rechtsanwalt Philipp Gehrmann nach der Urteilsverkündung. Besonders für seinen Angeklagten - den früheren Leiter der Antriebselektronik - sei die Kammer mit dem Strafmaß weit über das Ziel hinausgeschossen.
Ursprünglich geplant war, dass der frühere Volkswagen-Konzernchef Winterkorn mit auf der Anklagebank sitzt. Sein Verfahrensteil wurde aber schon vor dem Auftakt im September 2021 aus gesundheitlichen Gründen abgetrennt.
In Braunschweig sind nach diesem Prozess und dem Komplex gegen Winterkorn noch vier weitere Strafverfahren gegen insgesamt 31 Angeklagte offen, wie ein Sprecher des Landgerichts sagte.
VW manipulierte Abgaswerte auf dem Prüfstand
Der Skandal um Manipulationen bei Abgastests von Dieselautos war im September 2015 aufgeflogen. Volkswagen hatte damals auf Druck der US-Umweltbehörde EPA zugegeben, Diesel-Abgaswerte durch eine Software manipuliert zu haben. Diese sorgte dafür, dass die Motoren die Stickoxidgrenzwerte auf dem Prüfstand zwar einhielten, auf der Straße aber ein Vielfaches dieser giftigen Abgase ausstießen.
Wenige Tage nach Bekanntwerden der Manipulation trat Konzernchef Winterkorn zurück. VW schlitterte in eine der größten Krisen, die den Konzern nach eigenen Angaben bisher etwa 33 Milliarden Euro kostete. VW zahlte ein Milliardenbußgeld an das Land Niedersachsen und Entschädigung für rund eine Viertelmillion Dieselkunden. In einem Anlegerverfahren gegen den Volkswagen-Konzern und die Dachholding Porsche SE wird seit 2018 um Schadenersatz für Investoren gestritten, die nach der Dieselgate-Affäre Kursverluste in Milliardenhöhe erlitten.
Im ersten strafrechtlichen Urteil in Deutschland wurde Ex-Audi-Chef Rupert Stadler in München wegen Betrugs zu einem Jahr und neun Monaten Haft auf Bewährung und einer Zahlung von 1,1 Millionen Euro verurteilt. Dabei hatte es zunächst eine Verständigung gegeben, anschließend legten die Verteidiger aber überraschend Revision ein. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Aktenzeichen: 6 KLs 411 Js 49032/15 (23/19)