
Kritik an Israels Kriegsführung "Verstehe das Ziel nicht mehr"
Bundeskanzler Merz schlägt gegenüber der israelischen Regierung eine neue, scharfe Tonlage an. Beim WDR-Europaforum äußerte sich kritisch über das Vorgehen Israels in Gaza. Diese Woche soll es ein Gespräch mit Netanjahu geben.
Bei seinem Besuch beim WDR Europaforum in Berlin hat Bundeskanzler Friedrich Merz deutliche Kritik am israelischen Vorgehen im Gazastreifen geäußert. Mit Blick auf Angriffe vom Wochenende, bei denen offenbar ein Kinderheim getroffen wurde, sagte der CDU-Politiker: "Das ist eine menschliche Tragödie und eine politische Katastrophe."
Er verstehe "offen gestanden nicht mehr, mit welchem Ziel" das Land vorgehe. Deutschland und Israel stünden in engem Austausch, in dieser Woche sei etwa noch ein Telefonat zwischen Merz und Netanjahu geplant.
Kampf gegen Terror kann nicht mehr Ziel sein
Vorab betonte der Bundeskanzler, dass Angriffe wie die jüngsten nicht akzeptabel seien: "Die Zivilbevölkerung derart in Mitleidenschaft zu nehmen, wie das in den letzten Tagen immer mehr der Fall gewesen ist, lässt sich nicht mehr mit einem Kampf gegen den Terrorismus der Hamas begründen."
Merz betonte bei dem Podiumsinterview auch, dass er sich der deutschen Geschichte bewusst sei und Kritik angemessen äußern wolle. "Wenn Grenzen überschritten werden, wo einfach das humanitäre Völkerrecht jetzt wirklich verletzt wird, dann muss auch der Bundeskanzler etwas dazu sagen."
Merz gegen Eskalation im Handelsstreit mit USA
Angesprochen auf den Handelsstreit mit den USA zeigte sich der Bundeskanzler am Mittag zunächst etwas beruhigt. Deutschland und die anderen EU-Staaten würden keine Zölle wollen, so Merz: "Aus unserer Sicht würden Zölle auch uns schaden. Wenn wir gar nicht anders können, müssen wir zu diesem Instrument greifen."
Das wolle Merz aber gerne vermeiden, so der Bundeskanzler weiter. Dennoch bereite man sich auf alle Eventualitäten vor: "Wir schonen im Moment die amerikanischen Tech-Unternehmen auch steuerlich sehr. Das muss nicht so bleiben, das kann man ändern. Aber ich möchte diesen Konflikt nicht eskalieren. Ich möchte, dass wir ihn gemeinsam lösen."
"Keine Reichweitenbeschränkungen" für Waffenlieferungen an Ukraine
Gemeinsam mit den anderen EU-Ländern würde Bundeskanzler Merz auch weiterhin die Ukraine unterstützen. Bei dem Podiumsinterview unterstrich er die bisherige Position: "Wir werden alles tun, was in unseren Kräften steht, um die Ukraine weiter zu unterstützen."
Wichtig sei dabei aber auch, dass die Ukraine militärische Hilfe nur für militärische Ziele einsetze - vor allem in Russland, so Merz weiter. Es gebe aber "keinerlei Reichweitenbeschränkungen mehr für Waffen, die an die Ukraine geliefert worden sind, weder von den Briten, noch von den Franzosen, noch von uns, von den Amerikanern auch nicht."
Ob dies bedeutet, dass Deutschland Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine liefert, wollte Merz aber nicht sagen. Als Oppositionsführer hatte er dies gefordert, der damalige Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte es abgelehnt. Seit der Regierungsübernahme will die schwarz-rote Bundesregierung aber nicht mehr bekanntgeben, welche Waffensysteme sie an die Ukraine liefert.
Das Interview mit Bundeskanzler Merz fand im Rahmen des WDR Europaforums auf der Gesellschaftskonferenz Re:publica in Berlin statt. Nach seinem Gespräch auf der Bühne ging es für Merz direkt weiter zu einem Besuch nach Finnland.