Agnesbrücke und Tempel der Venus im Wörlitzer Park.

Sachsen-Anhalt Wie das Gartenreich Dessau-Wörlitz die Antike neu erfunden hat

Stand: 28.05.2025 14:47 Uhr

Die Antike ist omnipräsent im Wörlitzer Park. Denn im 18. Jahrhundert herrschte unter den Adligen eine regelrechte Antike-Begeisterung. Auch bei Fürst Franz von Anhalt-Dessau und seinen Zeitgenossen, die sich in den Parkanlagen allerdings ihre ganz eigene alte Welt schufen. "Vulkane, Götter, Großsteingräber" heißt die erste Sonderausstellung im Haus der Fürstin – nach dessen Umbau zum modernen Ausstellungshaus.

Von Sandra Meyer, MDR Kulturdesk

Wandelt man durch den Wörlitzer Park, begegnet man immer wieder der Antike, in Form von Tempeln, Büsten und Statuen von römischen Göttern oder des klassizistischen Schlosses mit Säulenportikus. Und wie die idealisierte Welt der Griechen und Römer in das Gartenreich kam, das beschreibt recht zu Beginn der Schau ein knapp dreiminütiger Animationsfilm.

Fürst Franz von Anhalt-Dessau und seine Freunde

Nicht nur für Kinder spannend, erfährt man so, wie sich Fürst Franz von Anhalt-Dessau auf seinen Reisen nach England und Italien – teils begleitet vom damals aufstrebenden Archäologen Johann Joachim Winckelmann – für sein Gartenreich hat inspirieren lassen.

"Zurück in der Heimat ging es an die Arbeit", heißt es im Film: "Der Fürst und sein Architekt gestalten das ganze kleine Fürstentum um. Die Skizzen aus England und Italien dienen ihnen als Vorlage für neue Bauten, Gartenanlagen und Skulpturen. Heimische Geschichte wird integriert, Kataloge und Bücher werden gewälzt und zahlreiche Kopien in Auftrag gegeben. Was fehlt, wird bestellt und gelangt auf langen Wegen nach Dessau."

Mosigkau, Sachsen-Anhalt, Deutschland - Schloss Mosigkau im Gartenreich Dessau-Woerlitz.

Verweise auf die Antike sind im Wörlitzer Park an vielen Stellen zu finden.

Kreative Rezeption der Antike im 18. Jahrhundert

So trieb Fürst Franz die Antikenbegeisterung im 18. Jahrhundert mächtig voran. Wobei er sie durchaus mit Kalkül und Kreativität für seine Zwecke zu nutzen wusste, wie Marcus Becker, Kurator der Ausstellung, erklärt. Diese möchte zeigen, wie sich Franz und seine Zeitgenossen eine Antike nach eigenen Bedürfnissen schufen, auf die sie sich dann beziehen konnten.

Ein wundervolles Beispiel für diese Art Kreativität ist das Standbild der Flora im Floratempel. Das wurde im Zuge der Ausstellung nicht nur aufwendig restauriert, so Becker, sondern verdeutliche auch, wie aus einer Musenstatue die Göttin Flora wurde: "Die Römer kannten zwar die Göttin Flora. Aber es gibt aus der Antike keine großformatigen Statuen der Flora."

Und was die Antike nicht hergibt, da muss nachgeholfen werden. Marcus Becker | Ausstellungskurator

Seit der Renaissance nun wollten die Gartenliebhaber Europas die Blumen-Göttin als Herrscherin über ihre paradiesisch arkadischen Reiche: "Und was die Antike nicht hergibt, da muss nachgeholfen werden." Und so wurden weibliche Gewand-Statuen restauriert, ihre Köpfe mit Blumenkränzen versehen. Sie bekamen Blumengebinde in die Hände, und plötzlich hatte man antike Blumen-Göttinnen.

Blick in die Ausstellung "Vulkane, Götter, Großsteingräber. Die Antike und das Gartenreich" im Haus der Fürstin
im Wörlitzer Park.

Blick in die Ausstellung im Haus der Fürstin in Wörlitz.

Venus als Ahnfrau des Hauses Anhalt

Die wohl wichtigste Göttin für Fürst Franz und seine Familie ist allerdings Venus. Nicht von ungefähr ist ihr Abbild in hundertfacher Ausführung im Gartenreich zu sehen. Ob als Büste, Gemälde oder Wandtapete. Denn ganz kreativ leitete man über Venus die Abstammung des Hauses Anhalt – also der Askanier – her.

Damals entstand eine genealogische Spekulation, die von der Göttin Venus direkt zum regierenden Haus von Anhalt führe, erzählt der Kurator: "Venus hat eine Affäre mit dem trojanischen Königssohn Anchises. Die haben zusammen einen Sohn: Äneas, und der hat wieder einen Sohn: Ascanius. Und Ascanius und Askanier, das klingt relativ ähnlich. Mit ein bisschen Deutung kommt man also dazu, dass Venus die Stammmutter des eigenen Hauses ist. Das macht was her."

Auch heimische Vorgeschichte einbezogen

So konnte sich Fürst Franz trotz seines kleinen, eher unbedeutenden Fürstenhauses über die Antike und das damit verbundene Reformprojekt Gartenreich legitimieren. Er nutzte dafür aber auch die einheimische Vorgeschichte, wie Harald Meller, Landesarchäologe und kommissarischer Leiter des Gartenreiches, berichtet. Da die einheimischen Bauwerke, die Großsteingräber, zugewachsen waren, habe man sie über lange Zeit vergessen.

Harald Meller

Harald Meller ist Landesarchäologe von Sachsen-Anhalt und kommissarischer Leiter des Gartenreiches Dessau-Wörlitz.

Plötzlich versteht man das Gartenreich viel besser, weil man jetzt wieder eine Einheit hat: aus antiker und einheimischer Herkunft. |

Nach der Durchführung von Ausgrabungen konnten Meller und sein Team die Gräber nun beschreiben und rekonstruieren: "Plötzlich versteht man das Gartenreich viel besser, weil man jetzt wieder eine Einheit hat: aus antiker Herkunft und einheimischer Herkunft. Und es ist einfach toll, wenn man sieht, dass beispielsweise der Vulkan nicht allein steht und das italienische Bauernhaus plötzlich einen Nachbarn hat, nämlich einen großen etruskischen Königsgrabhügel."

Blick in die Ausstellung "Vulkane, Götter, Großsteingräber. Die Antike und das Gartenreich" im Haus der Fürstin
im Wörlitzer Park.

Die Ausstellung zeigt, wie Fürst Franz die Antike und regionale Geschichte nutzte, um seine Herrschaft zu legitimieren.

Suchspiel im Wörlitzer Garten

Davon zeugen in der Ausstellung Asche-Urnen oder ein riesiger Findling. Und um alles noch anschaulicher zu machen, gibt es neben einigen Mitmachstationen auch Postkarten mit acht Referenzobjekten: ein Bergmann am nachgebauten Vesuv, die Flora im Tempel oder Apoll, der Gott der Künste. Mit Hilfe eines Lageplans kann man all diese Objekte dann im Gartenreich wiederfinden. 

Informationen zur Ausstellung:

Ausstellung:
"Vulkane, Götter, Großsteingräber. Die Antike und das Gartenreich"
Vom 28. Mai bis 30. November 2025

Adresse:
Haus der Fürstin
im Wörlitzer Park
06785 Oranienbaum-Wörlitz

Öffnungszeiten:
Dienstag bis Donnerstag
Sonn- und Feiertage: 10 bis 17 Uhr
Freitag, Samstag: 10 bis 18 Uhr

Weitere Informationen zur Ausstellung finden Sie auf der Website des Gartenreichs.

Redaktionelle Bearbeitung: lm, vp