Wall Street Schriftzug, Mesnchen im Regen, New York, USA
marktbericht

Neue Zollhoffnungen Wall Street im Höhenflug

Stand: 27.05.2025 22:27 Uhr

Die Zollpause im Streit mit der EU hat heute auch die Wall Street angeschoben. Die attraktivste Börse derzeit ist aber die heimische. Der DAX markierte erneut ein Rekordhoch.

Der Aufschub der geplanten US-Strafzölle auf EU-Waren hat an der Wall Street heute Euphorie ausgelöst. Zudem profitierten die Märkte von robusten Konjunkturdaten.

Der Dow-Jones-Index der Standardwerte notierte am Ende 1,78 Prozent fester bei 42.343 Punkten. Der breiter gefasste S&P 500 rückte um 2,05 Prozent auf 5.921 Zähler vor. Der Index der Technologiebörse Nasdaq gewann 2,47 Prozent, der Auswahlindex Nasdaq 100 stieg um 2,39 Prozent.

Die USA und die EU wollen sich nun doch wieder bis zum 9. Juli Zeit nehmen, um einen Kompromiss im Handelsstreit zu finden. Da die US-Börsen gestern wegen eines Feiertages geschlossen hatten, konnten sie erst heute darauf regieren.

"Die Kursentwicklung der letzten drei Tage deutet darauf hin, dass die Marktteilnehmer nicht mehr daran glauben, dass Trump es mit den Zöllen ernst meint", sagte Daniela Hathorn, Analystin beim Online-Broker Capital.com. Allerdings dürften Anleger weiterhin vorsichtig agieren und neue Zollankündigungen genau im Blick behalten.

Die Konsumstimmung in den USA hat sich nach der vorläufigen Beruhigung an der Zollfront derweil überraschend kräftig aufgehellt. Das Barometer für die Verbraucherlaune stieg im Mai um 12,3 auf 98,0 Punkte, wie das private Forschungsinstitut Conference Board heute zu seiner Umfrage mitteilte. Befragte Ökonomen hatten nur mit einem Anstieg auf 87,0 Zähler gerechnet.

"Das Verbrauchervertrauen hat sich im Mai nach fünf Monaten des Rückgangs in Folge verbessert", sagte Ökonomin Stephanie Guichard vom Conference Board und fügte hinzu: "Die Erholung war bereits vor dem Handelsabkommen zwischen den USA und China am 12. Mai sichtbar und gewann danach an Dynamik."

Die Umfrage zeigt, dass das Zollthema die Verbraucher weiter umtreibt. Sie haben weiterhin Sorge hinsichtlich steigender Preise und negativer Auswirkungen auf die Wirtschaft durch die Zölle. Einige äußerten jedoch auch die Hoffnung, dass die angekündigten und künftigen Handelsabkommen die Konjunktur stützen könnten.

Unter den Einzelwerten standen die Aktien von Nvidia im Anlegerfokus und legten 3,2 Prozent zu. Laut einem Medienbericht plant der auf Künstliche Intelligenz (KI) spezialisierte Halbleiterkonzern möglicherweise schon im Juni die Markteinführung eines KI-Chips in China - zu einem niedrigeren Preis als der kürzlich eingeschränkte H20-Chip. Der Vorstoß kommt zu einem Zeitpunkt, an dem Nvidia gegen neue US-Exportbeschränkungen kämpft, um auf dem chinesischen Markt wettbewerbsfähig zu bleiben.

Die Aktien von Informatica schnellten um gut sechs Prozent nach oben. Der Softwarekonzern und SAP-Rivale Salesforce will den Anbieter von Datenintegrationssoftware übernehmen. Die Papiere von Salesforce legten ebenfalls zu.

Auch am Frankfurter Aktienmarkt blieben die Anleger heute in Kauflaune, der Rekordlauf des DAX setzte sich damit fort. Konkret markierte der Index im Verlauf bei 24.300 Punkten eine weitere Bestmarke und schloss am Ende bei 24.226 Punkten um 0,83 Prozent höher. Auch der MDAX der mittelgroßen Werte legte 0,8 Prozent zu. Unterstützung kam am Nachmittag noch von der Wall Street, wo die Notierungen nach dem langen Feiertagswochenende ebenfalls anzogen.

Gestern hatte der Aufschub geplanter US-Strafzölle gegen die EU bereits für Erleichterung an den Börsen gesorgt, die offenbar heute anhielt. Der deutsche Leitindex hatte die 24.000-Punkte-Marke zurückerobert und schloss 1,7 Prozent fester bei 24.027 Punkten.

Experten warnen allerdings davor, dass die Zollverhandlungen der EU schwierig werden können und eine Einigung keinesfalls schon eine ausgemachte Sache sei. Zudem sei der Markt auf dem aktuellen Niveau technisch überkauft, so dass eine Korrektur nicht ungewöhnlich wäre.

Trotzdem, im laufenden Jahr weist der DAX ein Plus von rund 22 Prozent auf, während die US-Börsen im Minus liegen. Als einer der zentralen Treiber gilt das milliardenschwere Investitionsprogramm der neuen Bundesregierung unter Bundeskanzler Friedrich Merz in die Infrastruktur und die Verteidigung.

Das dürfte auch der Grund dafür sein, dass plötzlich Aktien aus der zweiten und dritten deutschen Börsenreihe wie dem MDAX und SDAX kräftig aufholen, weil sich in diesen Indizes viele Unternehmen tummeln, die als Nutznießer der geplanten Investitionen gelten.

Es wundert daher nicht, dass der MDAX der mittelgroßen Werte in seiner Jahresentwicklung mit einem Plus von inzwischen etwa einem Fünftel fast mit dem DAX gleichgezogen hat. Auch der SDAX der kleineren Börsentitel hat mittlerweile seit Jahresbeginn schon um mehr als 21 Prozent zugelegt.

Zudem bestehen massive Zinshoffnungen in Europa. Denn die Teuerung hat sich im Nachbarland Frankreich im Mai weiter abgeschwächt. Die für europäische Vergleichszwecke berechnete Teuerungsrate (HVPI) betrug nur noch 0,6 Prozent, wie das französische Statistikamt Insee heute auf Basis vorläufiger Daten mitteilte. Befragte Experten hatten mit einem Wert von 0,9 Prozent gerechnet. Die Preisdaten für den Euroraum stehen am 3. Juni an: Experten erwarten einen Rückgang der Teuerungsrate auf 2,0 von 2,2 Prozent im April.

Update Wirtschaft vom 27.05.2025

Antje Erhard, HR, Update Wirtschaft, 27.05.2025 09:00 Uhr

Das Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB), die am 5. Juni über den Leitzins entscheidet, liegt bei einer Rate von zwei Prozent im Euro-Raum. Die Währungshüter hatten nach dem Zollgewitter von US-Präsident Donald Trump auf der Aprilsitzung den Leitzins weiter gesenkt. Der am Finanzmarkt richtungsweisende Einlagensatz liegt seither bei 2,25 Prozent. Am Finanzmarkt wird die Wahrscheinlichkeit als sehr hoch eingeschätzt, dass die EZB die Zinsen auf der Juni-Sitzung um einen Viertelprozentpunkt senken wird.

"Diese Zahlen sind ermutigend für die Europäische Zentralbank und bestätigen, dass der Inflationsdruck in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Eurozone weitgehend nachgelassen hat", schrieb die ING-Ökonomin Charlotte de Montpellier. Sie geht davon aus, dass dies der Notenbank Zuversicht gibt, die Zinsen weiter zu senken.

Eine Aussicht, die heute den Euro belastete, der zuletzt im US-Handel bei 1,1328 Dollar gehandelt wurde, nachdem er gestern noch über 1,14 Dollar gelegen hatte. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,1356 (Montag: 1,1381) Dollar fest

Gewinne und Verluste gingen heute im DAX quer durch die Einzelwerte. Angesichts der Weigerung des russischen Präsidenten Wladimir Putin, unter Vermittlung des Vatikans über einen Waffenstillstand in der Ukraine zu verhandeln, legten Rüstungswerte wie schon am Vortag allerdings besonders deutlich zu. Rheinmetall erreichen bei 1.892 Euro im Verlauf ein weiteres Allzeithoch und gehörten zu den größten Gewinnern im DAX. Defensive Werte wie Versorger waren im Gegenzug nicht gefragt.

Zuletzt hatte Bundeskanzler Friedrich Merz vor einem langen Krieg gewarnt. Zudem hatte Russland gestern die Aufhebung von Reichweitenbeschränkungen bei Waffenhilfen für die Ukraine durch Merz scharf verurteilt. Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte, eine solche Entscheidung würde einer politischen Lösung des Konflikts zuwiderlaufen. Das wiederum macht Rüstungsaktien für Anlegerinnen und Anleger attraktiv.

Commerzbank-Aktien legten im DAX rund 1,7 Prozent zu. UniCredit-Chef Andrea Orcel will bei der Übernahme der Bank die Flinte nicht ins Korn werfen und sieht das italienische Geldhaus in einer komfortablen Position. "Wir haben 30 Prozent. Ich wiederhole: Wir haben 30 Prozent", sagte Orcel heute auf einer Versammlung des italienischen Bankenverbandes FABI. "Dass wir höfliche und faire Leute sind, die auf den richtigen Moment warten, um uns mit der deutschen Regierung einzulassen, ändert nichts an der Tatsache, dass wir 30 Prozent haben."

Die europäische Bankenaufsicht würde eine feindliche Übernahme der Commerzbank durch die italienische Großbank UniCredit nach den Worten von Bundesbank-Vorstand Michael Theurer sorgfältig prüfen. "Ein Selbstläufer ist das nicht", sagte Theurer, der dem gemeinsamen Bankenaufsichts-Gremium der Europäischen Zentralbank (EZB) angehört, der Süddeutschen Zeitung. Die EZB beaufsichtigt die europäischen Großbanken.

Frische Konjunkturdaten fielen derweil gemischt aus. Während die Deutsche Industrie und Handelskammer (DIHK) nach einer Umfrage unter 23.000 Unternehmen weiter mit einer schrumpfenden Wirtschaft in diesem Jahr rechnet, hat sich die Verbraucherstimmung in Deutschland den dritten Monat in Folge etwas aufgehellt, bleibt aber niedrig. Das für Juni berechnete Konsumklima stieg um 0,9 Punkte auf minus 19,9 Zähler, wie die GfK-Marktforscher und das Nürnberg Institut für Marktentscheidungen (NIM) mitteilten.

"Die Konsumenten trauen der sehnlich erhofften Erholung noch nicht so recht. Das Konsumklima hat sich zwar verbessert, aber letztlich dümpelt es seit rund einem Jahr auf dem Niveau des Corona-Lockdowns dahin. Die Vorsicht der Konsumenten zeigt sich auch darin, dass ihre Anschaffungsneigung trotz besserer Einkommens- und Konjunkturerwartungen leicht gesunken ist", meint Andreas Scheuerle, Ökonom bei der Dekabank.

Bei dem geplanten Umbau des Industriekonzerns Thyssenkrupp in eine Holding mit fünf eigenständigen Unternehmen geht es nach Worten von Thyssenkrupp-Chef Miguel López "nicht um eine Zerschlagung". "Richtig ist: Wir wollen schrittweise alle Geschäftsbereiche von Thyssenkrupp verselbstständigen", sagte er in einem Interview der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ).

Bei sämtlichen Aktivitäten - Stahl ausgenommen - strebe man aber eine Mehrheitseigentümerschaft an. "Wir behalten also die Kontrolle", sagte López weiter. Für die Stahlsparte ist ein 50:50-Gemeinschaftsunternehmen mit dem tschechischen Konzern EPCG geplant. Mittelfristig solle die Thyssenkrupp AG eine strategische Konzernführungsgesellschaft mit eigenverantwortlichen Einheiten werden. Der Vorstand will das "Zukunftsmodell" genannte Konzept noch in diesem Jahr dem Aufsichtsrat vorstellen.

Die Verkäufe des US-Elektroautoherstellers Tesla in Europa sind im April um die Hälfte eingebrochen. Wie der europäische Herstellerverband Acea mitteilte, sind die Verkaufszahlen im April in der Europäischen Union auf 5.475 Autos gesunken. Dies entspricht einem Rückgang von 52,6 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat.